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Schule: Schwestern, zur Sonne

An diesem Typ hängen Erinnerungen. Nun bringt Alfa die Neuauflage des Spiders – eine erste Ausfahrt in Rot

Eines vorab: Ohne Sonnenbrille sollten Sie nicht in dieses Auto steigen. Erstens wegen der Coolness. Schließlich fahren Sie mit dem Alfa Spider einen rassigen Italiener. Und die tragen nun mal selbst bei wolkenverhangenem Himmel und nächtens dunkle Gläser. Zweitens gibt es aber handfeste praktische Gründe: Die Sonne könnte Sie von vorne ziemlich kräftig anblinzeln; die Schutzblenden an der Frontscheibe helfen da nicht wirklich weiter. Sie sind derart schmal, dass sie, zumindest für Normalgroße, null Effekt haben. Auch der untergehende Feuerball am Abend könnte Sie unsanft erwischen – auf dem Umweg über edel gebürstetes Alu an Armaturen und Lenkrad oder dessen Spiegelung im Windschott. Mit Sonnenbrille kein Problem. Vielleicht wird Alfa Romeo ja noch ein standesgemäßes Augenkleid in die Grundausstattung für seinen Superspider packen? Bei einem Basispreis von 34 300 Euro für den frontgetriebenen Vierzylinder (mit Allrad ab 42 100 Euro) sollte das drin sein …

Nun aber rein ins Vergnügen. In den unendlichen Weiten unter der Kühlerhaube verschwinden Beine jeder Größenordnung, in zwei verschließbaren Fächern hinter den Sitzen Wertsachen und der Fotoapparat. Eine knappe halbe Minute ist noch Zeit, um Sonnenbrille und Seidenschal oder Basecap zu richten. Dann ist der Zweisitzer mit leisem Schnurren oben offen. Mit dem Stoffverdeck geht auch das Herz auf. Und die Übersichtlichkeit gewinnt. Schon bei den ersten Strahlen des Frühlings kann man frank und frei starten; dazu muss man nicht einmal die stärkste Stufe der Spider-Heizung bemühen, die gut 30 Grad zu leisten vermag. Wer es von unten kuschelig braucht, dem hilft die dreistufige Sitzheizung, obenrum reichen selbst bei zehn Grad Pulli und Weste. Die Frontscheibe ist hier wirklich Windschutz – es sei denn, man zählt zu den Sitzriesen. Die müssen an kühleren Tagen doch ein wenig um ihre Hirnflüssigkeit fürchten.

Den Kopf sollte man aber schon frei haben, wenn man in diese Raubkatze steigt, der die zweimal drei verchromten Scheinwerfer vorne bis in die lang gezogenen Außenspiegel alle Ehre machen. Mit tiefem Grollen legt der 260-PS-Motor los. Ein kleiner Kick aufs Gas, ein-, zweimal schalten und rasch stehen 160 auf dem Tacho, der sechste Gang ist noch längst nicht erreicht – aber für italienische Autobahnen wäre selbst dieses Tempo schon viel zu hoch.

Also zurück auf die Landstraße. Kurven mag der Spider wie jedes Motorrad – dabei klebt er auch bei zügiger Fahrt so auf der Straße, als sei er mit Millionen Saugnäpfen ausgestattet. Und wenn es mal ganz rasch sein muss – Mensch, der Bus auf der engen Küstenstraße reckt seine Schnauze verdammt weit auf unsere Fahrbahn rüber! –, leisten die Scheibenbremsen gute Arbeit. Selbst in winkligen Gassen und auf Bergserpentinen ist er trotz seiner rund 4,40 Meter Länge und reichlich anderthalb Tonnen Gewicht (noch einmal 85 Kilo mehr als das Coupé Brera) recht leicht zu handeln.

Der Wendekreis ist kleiner als beim Golf. Einmal Zurücksetzen reicht auch auf einer engen Küstenstraße, um schnell noch mal in das Café hineinzuspringen, an dem man gerade so achtlos vorbeigefahren ist. Auf das Kopfsteinpflaster am Marktplatz sollte man sich mit dem Spider allerdings nur trauen, wenn man keine Rückenprobleme hat.

Der Kofferraum des Spiders reicht inzwischen auch für eine mittlere Shoppingtour. 253 Liter passen rein, 106 mehr als beim Vorgänger. Allerdings sind für die Alfisti ein paar Muskeln nicht von Nachteil, wenn man die Schätze, und seien es nur Wasserflaschen, über die etwas hohe Ladekante wuchten will.

Vergnügt kann es dann weitergehen. Vollends nach Urlaub fühlt es sich an, wenn man sich den Luxus des Bose-Soundsystems gegönnt hat. Acht Lautsprecher wummern die Bässe in den Körper, und theoretisch könnte man einen ganzen Küstenstreifen mit italienischen Schnulzen oder britischem Rock beschallen. Für deutsche Innenstädte und die meisten Landstraßen reicht wohl auch die normale CD-Anlage, damit für die anderen der Kaffee auf dem Balkon nicht zur Qual wird.

Tock, tock, klong, klong. Ja, das Ökogewissen meldet sich. Natürlich. Kräftig. Denn der Sportschlitten, der sich mit dem Porsche Boxter, dem Mercedes SLK, dem BMW Z 4 und dem Audi TT Roadster messen will, pustet mächtig Kohlendioxid je Kilometer in den Himmel. 221 Gramm sind es bei der kleinen Version, 273 Gramm beim noch durstigeren großen Bruder. Fiat-Deutschlandchef Werner Frey sieht in diesen Werten jedoch kein Problem. Insgesamt schneide das Fiat-Portfolio gut ab, sagt er mit Blick auf die Debatte um die Abgaswerte in der EU: „Wir poltern nicht so laut wie unsere deutschen Wettbewerber, weil es uns nicht berührt.“ Die Emissionsliste 2007 der deutschen Autoindustrie relativiert diese Aussage ein wenig.

13 der im Fiat-Konzern angebotenen 150 PkW-Motorisierungen schaffen aktuell Werte unter 130 Gramm. Von den 33 Alfas keiner (der Spider fehlt in der Liste), von den 21 Lancias schaffen das vier – die 8 Ferrari fangen bei 420 an. In der Kategorie sauberes Auto tritt der Spider nun mal nicht an.

Also was tun? Zum Beispiel darauf hoffen, dass sich der Junior, den Alfa Romeo im nächsten Jahr auf den Markt bringen will, so gut verkauft, dass die Firma wieder in Richtung Ur-Spider denkt. An den Alfa, den die etwas Erwachseneren alle noch so gut aus der Reifeprüfung mit Dustin Hoffman kennen, der zu Songs von Simon and Garfunkel wie Mrs. Robinson und Scarborough Fair durch Kalifornien und über die Oakland-Bay-Bridge brauste. Den Alfa, der Ende der 60er die Sehnsucht begründete. Inzwischen sind wir erwachsen geworden. Der Spider auch. Aber musste er so groß werden? Oder könnte Alfa eingedenk all dieser Erinnerungen, in denen auch die Chefs so gerne schwelgen, nicht doch einen Spider Junior entwickeln? Einen, der auch für das Portemonnaie von ein paar mehr Menschen gemacht ist, also auch für die Jüngeren? Darauf werden wir allerdings wohl noch ein ganzes Weilchen warten müssen. Bis zum Jahr 2010 gibt’s so was auf keinen Fall, heißt es aus Turin.

Einstweilen sieht die einfachste Öko-Variante so aus: Steuern Sie mit dem Wagen öfter mal die nächste Piazza an, setzen sich mit einem Cappuccino ins Straßencafé und lassen die Augen über das edle Design der Kult-Schmiede Pininfarina gleiten. Über das diesmal etwas dunklere Rot der Karosserie oder eine der neun anderen Farben. CO2-Ausstoß: null. Aufmerksamkeit: unendlich.

An der italienischen Heimatküste unterwegs, werden sogar die Carabinieri einen Grund finden, Sie anzusprechen, um ein paar Blicke auf die innen zweifarbig gehaltene graziöse große Schwester ihrer Dienstwagen zu werfen. Aber nicht nur dort dürften Ihnen die bewundernden Blicke 15-Jähriger mit in den Kniekehlen hängenden Hosen ebenso sicher sein wie 75-Jähriger mit Pelzkragen und Zigarette im Mundwinkel, die mit einem lang gezogenen „bella macchina“ Ihr Prachtstück umrunden. Das lädt zum ausgiebigen Verweilen ein. Mit Sonnenbrille natürlich.

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