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Mädchen und Jungen der Charlotte-Salomon-Schule spielen gemeinsam Frisbee im Sportunterricht.

© Kitty Kleist-Heinrich

Sportunterricht: Gemeinsam oder getrennt - was ist gerechter?

Sollen Mädchen und Jungen in der Schule zusammen Sport machen oder besser nach Geschlechtern getrennt? An Berliner Schulen gibt es Beispiele für beide Modelle und für die meisten Schüler ist das keine Grundsatzfrage.

„Rennen auf Note“ fasst Catherine Lebreton das Leichtathletik-Training in der Schule zusammen und stöhnt. Als am Romain-Rolland-Gymnasium in Waidmannslust zwischen der siebten und zehnten Klasse der Sportunterricht in Mädchen und Jungs getrennt wurde, hatte sie das anfangs nicht gestört, weil ihre Freundinnen ja in ihrer Gruppe blieben. Aber das sportliche Angebot wurde langweilig: immer wieder die „Mädchensportarten“ Volley- und Federball und immer wieder diese Leichtathletik. In ihrer Freizeit macht die Elftklässlerin schon seit gut zwölf Jahren mit viel Freude Judo, in einer Gruppe großteils aus Jungs. Endlich könne sie jetzt auch an der Schule wählen, das Kursprinzip gilt auch für Sport. Das heißt, sie trainiert auch an der Schule wieder mit Jungs, aber Leichtathletik – das hat sie abgewählt.

Ob Jungs und Mädchen gemeinsam oder getrennt Sport haben sollen, um ihnen ein breitestmögliches Spektrum an körperlichen Fähigkeiten, faires Spiel im Team und Selbstbewusstsein zu vermitteln, entscheiden in Berlin die einzelnen Schulen. An den Grundschulen wird meist gemischt unterrichtet, zwischen der siebten und zehnten Klasse häufig getrennt. Eine Berliner Familie scheiterte diesen Sommer bei dem Versuch, über den Verwaltungsgerichtshof zu erwirken, dass ihre Tochter in der sechsten Klasse einer Grundschule in Zehlendorf am Jungen-Sportunterricht teilnehmen darf. Der Antrag wurde im Eilverfahren abgelehnt, es bestünde kein Anspruch auf durchgehende Koedukation.

Einige Beispiele zeigen, dass gemischter oder getrennter Sportunterricht nicht zur Grundsatzfrage werden muss, sondern pragmatisch nach aktuellem Bedarf gelöst werden kann. An der Charlotte-Salomon-Grundschule in Kreuzberg haben die Mädchen und Jungen der vierten, fünften und sechsten Klassen gemischt und jahrgangsübergreifend Sport. Dazu gibt es nachmittags Jungen- und Mädchen-Kurse für Basketball und Fußball. Am Ende jeder Stunde wird kurz besprochen, ob das Spiel fair war oder ob es Beschwerden gibt. Bei Bedarf überlegt die Gruppe gemeinsam, wie Spielregeln geändert werden können, damit das nächste Spiel fair ist, etwa ob bei Fußball abwechselnd Mädchen und Jungen an den Ball müssen. Weil sich Mädchen beim jährlichen Fußballturnier beschwerten, nicht an den Ball zu kommen, wurde zwischen 2007 und 2011 eine eigene Mädchenrunde eingeführt. Mittlerweile seien die Fußballerinnen aber so gut, dass sie wieder gemischt mit den Jungen spielen wollen, erzählt der Sportlehrer, der nicht namentlich genannt werden möchte. Im Unterricht werden auch Sporteinheiten angeboten, die nicht so stark geschlechtlich konnotiert sind wie etwa Frisbee oder Zirkus-Übungen. Es gebe schon manchmal Streit zwischen Mädchen und Jungen, berichtet die zwölfjährige Amna. Sportunterricht ohne Jungen könne sie sich aber nicht vorstellen, fair sollte es sein. Und das Schloss in der Mädchenumkleidekabine gehört repariert. Derzeit müssen Mädchen Wache stehen, damit Jungen nicht einfach reinkommen.

An anderen Schulen mit gemischtem Sportunterricht gibt es auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, sich für einzelne Übungen oder einen Teil des Sportangebots nur mit Mädchen oder nur mit Jungen zusammenzutun: an der sportbetonten Spartacus-Grundschule in Friedrichshain können Jungs und Mädchen für einzelne Übungen frei ihren Partner oder ihre Partnerin wählen. Aktiv trennen die Lehrer aber nicht nach Geschlecht, sondern setzen Gruppen nach dem individuellen Förderbedarf zusammen.

An sechs Berliner Grundschulen bietet der Verein Seitenwechsel e.V. eigene Mädchensport-AGs an, bei denen Mädchen in einem geschützten Rahmen Sport und Bewegungen ausprobieren können, in denen sie häufig weniger Erfahrungen in die Schule mitbringen als Jungs.

An der Kreuzberger Lina-Morgenstern-Gemeinschaftschule wird grundsätzlich durchgehend gemeinsam unterrichtet, zusätzlich gibt es AGs für Mädchen und Jungs. Wenn beide Klassen eines Jahrgangs dafür stimmen und es von den Lehrerstunden möglich ist, wird im Sport aber getrennt. Asli und Zeynep aus der 10. Klasse der Morgenstern-Schule würden sich das manchmal wünschen. Weil manche Jungs schlecht aufgelegt sind, wenn sie nicht gewinnen, weil sie die Mädchen angucken, sagen sie. Die beiden sind im gemischten Unterricht außerdem abgelenkt, ob ihre Kopftücher richtig sitzen und sie damit nicht irgendwo hängen bleiben. Mit Kopftuch schwitze man mehr, in einer Mädchengruppe würden sie es abnehmen. Zeynep beginnt dieses Schuljahr in der Box-AG für Mädchen. Für den regulären Unterricht hatte der Jahrgang diskutiert, ob sie lieber getrennt Sport machen wollen. Die Parallelklasse war dagegen. Sie wurden gefragt, das finden die Mädchen fair. Und Völkerball zum Beispiel mache mit den Jungen schon viel Spaß, wenn es Klasse gegen Klasse gehe. „Das ist Krieg“, sagt Asli, lacht und meint dann, vielleicht nehmen sie alle dieses Spiel etwas zu ernst.

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