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Turners Thesen: Schluss mit dem Titelunwesen

Von George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Ausländischen Wissenschaftlern, die einen PhD haben und als Direktoren von Max-Planck-Instituten tätig sind, leben in Deutschland unter Umständen gefährlich. Die Behörden drohen ihnen mit rechtlichen Konsequenzen, wenn sie ihren akademischen Grad, erworben an einer US-amerikanischen Elite-Universität, schlicht als Dr. verwenden. Und eine deutsche Universität will es nicht zulassen, dass sich nicht hauptamtlich Lehrende als „Professor“ statt als „außerplanmäßiger Professor“ (apl. Prof.) bezeichnen.

Seit der Wende haben osteuropäische Hochschulen unterschiedlichen Ansehens erkannt, dass Doktor- und Professorentitel marktfähig sind. Auch deutsche Hochschulen legen früher geübte Zurückhaltung mehr und mehr ab. Vorstände ohne Professoren-Titel? Da kann ja irgendetwas nicht stimmen. Und wenn es nicht bei einer Hochschule klappt, gibt es in einigen Ländern ja noch den Landesprofessor, verliehen vom „Landesvater“. Der Dr. h. c., ursprünglich als Anerkennung für wissenschaftliche Leistungen gedacht, ist längst ein Mittel, sich für finanzielle Förderungen erkenntlich zu zeigen. Das Titelunwesen in Deutschland übertrifft unser Nachbarland Österreich, bekannt wegen der nahezu flächendeckenden Versorgung mit schmückenden Beiwerk, inzwischen glatt.

Die verwirrende Unübersichtlichkeit gäbe es nicht, wenn das praktiziert würde, was im Geschäftsbetrieb gilt: Firmenwahrheit und Firmenklarheit. Der Dr. ist mit einem „h. c.“ zu versehen, wenn er ehrenhalber verliehen ist; bei Professoren darf der Zusatz „apl.“ nicht fehlen, wenn die Position außerplanmäßig ist. Der Ehrenprofessor beziehungsweise Honorarprofessor sollte auch so bezeichnet werden.

Zurückhaltung bei der Verwendung insbesondere im Ausland erworbener Dekors würde auch geübt werden, wenn man die Herkunft im Titel führen müsste. Wer will schon mit dem Dr. aus dem kirgisischen Posemuckel herumlaufen? Den Gipfel liefert jetzt ein Promotionsabkommen der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten mit der Universität Zielona Góra, die durch eine Fusion des Politechnikums und der Pädagogischen Schule entstanden ist. Da wächst offenbar zusammen, was zusammengehört.

Warum aber überhaupt solche Umstände? Praktischer und der Tendenz mehr entsprechend wäre doch, den Dr. für zehnjähriges unfallfreies Führen eines Kraftfahrzeugs und den Prof. nach dreimaliger Teilnahme an Bundestagswahlen zu vergeben.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de.

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