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Genauer hinsehen. Die fehlende Sauberkeit an Schulen ist ein Dauerthema. Die Hausmeisterassistenten sollen die Reinigungsarbeiten überwachen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Unhygienische Zustände an Schulen: Nicht ganz sauber

Empörte Eltern und Schulleiter entfachen eine neue Diskussion um unzureichende Vorgaben für die Sauberkeit an Schulen. Die Bezirke verteidigen sich mit dem Hinweis auf ihren Spardruck, und die Grünen bringen sie Sache jetzt ins Parlament.

Am Ende entscheidet der Preis. So war es beim Schulessen, so ist es bei der Schulreinigung. Das soll jetzt anders werden, fordert jedenfalls der Bildungsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Peter Beckers (SPD), nachdem es nicht nur in seinem Bezirk erneut zu erheblichen Problemen mit der Schulhygiene gekommen ist.
Aktuell liegt der Fokus auf der Schule am Friedrichshain. Hier hatte sich der Schmutz laut Schulleitung in den vergangenen Monaten derart angehäuft, dass am Montag Gesundheits- und Schulamt im Doppelpack kommen mussten, um zusammen mit der kritisierten Reinigungsfirma „Putzzeit Berlin“ die Schule zu inspizieren. Die diskutierte Möglichkeit einer Teilschließung aus hygienischen Gründen wurde anschließend abgelehnt.
„Der Unterricht kann planmäßig weiterlaufen“, hieß es am Nachmittag aus dem Bezirksamt. Besonders die Sanitäranlagen seien „in gutem Zustand“, nachdem die beauftragte Firma „die Mängel behoben“ habe.
Tatsächlich sah die Schule am Montag anders aus als sonst von den Betroffenen beschrieben: Statt dicker Schmutzschichten gab es nur den in Schulen üblichen Staubfilm, statt stinkender Toiletten passable Zustände. „Die haben am Wochenende mit sehr vielen Leuten geputzt, hieß es anschließend in der Schule.

Die kritisierte Firma weist alle Verantwortung von sich

Die Firma bestreitet allerdings, dass es etwas zu kaschieren gegeben habe. Vielmehr habe man mit der besonderen Reinigung im Vorfeld der Begehung nur zeigen wollen, wie die Schule aussehen könnte, wenn das Bezirksamt entsprechende Leistungen auch bezahlen würde. Da dies nicht geschehe, könne der erwartete Standard nicht geliefert werden, zumal im Nachhinein noch zusätzliche Horträume hinzugekommen seien, ohne dass das Bezirksamt den Vertrag aufgestockt habe. Außerdem habe das Bezirksamt neue Reinigungskonzepte, die die Firma vorgeschlagen habe, aus Kostengründe abgelehnt, moniert die Firma, die auch Behörden, Kitas und Arztpraxen versorgt. Bildungsstadtrat Beckers war am Montag sichtlich bemüht, sein Schulamt aus der Kritik zu nehmen und verwies stattdessen auf die „Rechtsvorschriften des Landes“, die verlangten, dass immer der billigste Anbieter den Auftrag erhalte.

Diese Auskunft ist allerdings unvollständig. Zwar ist so, dass bei derartigen Ausschreibungen die Rechtssicherheit am größten ist, wenn der Preis das einzige Kriterium ist. Dennoch haben die Bezirke einigen Spielraum, welche Vorgaben sie machen. So könnten sie eine häufigere Nassreinigung aller Unterrichtsräume in der Ausschreibung festlegen, sofern sie bereit wären, entsprechend viel Geld auszugeben. Das ist aber nicht die einzige Stellschraube. So gibt es Bezirke wie Tempelhof-Schöneberg, die neben dem Preis auch die vom Anbieter veranschlagte Stundenzahl beim Zuschlag berücksichtigen. Dieses Vorgehen kam im vergangenen Jahr der Schöneberger Sophie-Scholl-Schule zugute: Sie war unzufrieden mit der Putzleistung der neuen Reinigungsfirma, die die Stundenzahl gegenüber der Vorgängerfirma reduziert hatte und statt 28 Stunden nur noch 22 Stunden täglich gewähren wollte. Nach Beschwerden berichtete das Bauamt, dass die Firma bei ihrer Bewerbung ursprünglich eine höhere Stundenzahl angegeben und dadurch den Zuschlag bekommen hatte. Inzwischen wurde nachbessert und Schulleiter Klaus Brunswicker ist wieder zufrieden mit der Leistung.

Viele Schulen fühlen sich von den Schulämtern im Stich gelassen

Davon sind die Schulen in Friedrichshain-Kreuzberg noch weit entfernt: Das Schulamt wirke „überfordert und resigniert“, berichten betroffene Rektoren. Auch aus anderen Bezirken heißt es, dass Schulen wegen der dauernden Minderleistungen zwar immer wieder Mängellisten schickten, dieses aber aufgäben, weil es aus den Schulämtern keine Reaktionen gebe. Besonders bitter ist dies für Schulen wie die Schule am Friedrichshain, wo rund 60 Autisten unterrichtet werden, die viel auf dem Fußboden arbeiten und dort dann buchstäblich im Dreck sitzen.
Möglicherweise kommt aber Bewegung in die Diskussion um schmutzige Schulen: Der in die Kritik geratene Bildungsstadtrat Beckers hat für Ende Januar zu einem „Fachgespräch“ eingeladen. Dort sollen nicht nur die betroffenen Schulen zu Wort kommen, sondern auch Experten der Vergabestelle und Vertreter der Gebäudereinigerinnung sowie des DGB. Unter Umständen werde man zu dem Ergebnis kommen, „dass das günstigste Angebot für die Schulreinigung nicht den tatsächlichen Anforderungen entspricht“, stellt Beckers in Aussicht.
Auch im Abgeordnetenhaus kommt das Thema auf die Tagesordnung, kündigte die grüne Bildungsexpertin Stefanie Remlinger an. Sie hat wegen der brisanten Berichte erreicht, dass sich der für Finanzen zuständige Hauptausschuss am 29. Januar mit der Schulreinigung befasst und dass auch Vertreter verschiedener Senatsverwaltungen dazu geladen werden.
Auch die Eltern sind ungeduldig. Der Landeselternausschuss startet eine Spendenaktion für „Stille Örtchen“, und die Montessori-Gemeinschaftsschule in Lichterfelde hat einen ganzen Kalender herausgegeben, der sich mit dem Zustand der Schultoiletten befasst. Mitunter ist kaum noch zu sagen, ob die schlimmen Hygienebedingungen aus den unsanierten Räumlichkeiten verschlimmern oder umgekehrt (siehe Fotostrecke). Auch in Lichtenberg ist das Thema schon lange auf der Tagesordnung, nachdem Schulleiter immer wieder häufigere Reinigungen verlangten. Verschärft wird das Problem durch die steigenden Schülerzahlen. Überdies gibt es da noch den „Musterhygieneplan:“: Seine Umsetzung würde allein für Lichtenberg über 700 000 Euro pro Jahr kosten, rechnete der Petitionsausschuss einem frustierten Vater vor. Dieser Betrag müsste aber woanders weggenommen werden, wenn man den Plan wirklich umsetzen wollte.

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