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Ursula Sarrazin, 59, arbeitet seit rund 30 Jahren als Lehrerin und seit neun Jahren an der Reinhold-Otto-Grundschule in Westend. Sie stammt aus Schleswig-Holstein.

© Paul Zinken

Ursula Sarrazin wehrt sich: "Schmarotzer habe ich nie gesagt"

Rigider Unterrichtsstil, Störung des Schulfriedens: Ursula Sarrazin, die Frau des ehemaligen Finanzsenators, ist an ihrer Charlottenburger Schule in die Kritik von Eltern und der Schulleitung geraten. Mit dem Tagesspiegel sprach sie über die Vorwürfe.

In den letzten Jahren gab es vermehrt Klagen über Frau Sarrazin, 2008 kam von Elternseite eine Dienstaufsichtsbeschwerde hinzu. Die jüngste Auseinandersetzung wurde dadurch ausgelöst, dass sich ein türkischstämmiger Vater über die Lehrerin beschwert hatte. Landeselternsprecher Günter Peiritsch stellte sich hinter die Kritiker und sagte, Sarrazin gefährde den Schulfrieden.

Frau Sarrazin, Berlin rätselt, ob Sie eine gute Lehrerin sind. Eltern berichten, Kinder würden sogar Hilfe vom Schulleiter holen, weil es Unfrieden gibt.

Davon weiß ich nichts. Das ist üble Nachrede.

Sie gelten als strenge Lehrerin. Manchen Eltern sind sie offenbar zu streng. Können Sie sich das erklären?

Streng klingt irgendwie unsympathisch. Ich würde sagen, dass ich konsequent bin.

Was bedeutet für Sie Konsequenz?

Auch im Unterricht gibt es Regeln, die man nicht übertreten darf. Man muss sich beispielsweise gegenseitig anhören, nicht einfach reinreden oder anderweitig stören. Hält sich ein Schüler nicht daran, muss das Konsequenzen haben. Ich muss als Lehrer reagieren, natürlich situationsabhängig und abgestimmt auf die Persönlichkeit des Schülers. Deshalb muss aber nicht gleich etwas Schlimmes passieren. Vielleicht rufe ich auch nur: ,Jetzt ist einfach Schluss!’ Grundsätzlich geht es doch darum, ein störendes Verhalten nicht einfach im Raum stehen zu lassen. Wenn ich als Lehrer eine Reaktion unterlasse, nehme ich die Regeln nicht ernst. Dann tun die Schüler das auch nicht mehr.

Sind die anderen Kollegen weniger konsequent oder nicht konsequent genug?

Bestimmt gibt es solche Kollegen.

In einem Elternbrief, der uns vorliegt, heißt es, Sie würden Kinder als „Schmarotzer“ oder „armseliges Opfer“ titulieren.

„Schmarotzer“ habe ich nie gesagt! Wie können Eltern so etwas behaupten? Ich käme nie auf die Idee.

Und was ist mit dem „armseliges Opfer“?

Das habe ich gesagt, allerdings muss man dazu den Zusammenhang kennen.

Und der wäre?

Nun, ein Junge, der völlig außer Rand und Band geraten war, auf keine Ermahnung meinerseits hörte, wurde schließlich von einem Mitschüler geschlagen. Er kam weinend zu mir und beklagte sich. Ich sagte zu ihm: „Nun bist Du auf einmal das armselige Opfer.“ Ich habe das Wort Opfer so gebraucht, wie es in unserer Sprache üblich ist, wenn jemandem Gewalt angetan wird. Ich war zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf die Idee gekommen, missverstanden zu werden. Die Eltern haben sich dann gleich ans Schulamt gewendet.

Es waren die Eltern eines türkischstämmigen Jungen?

Ja. Vielleicht wissen diese Eltern nicht, dass das Wort Opfer in unserer Sprache gar nicht negativ gemeint sein muss. Vielleicht wissen sie nicht, was Opfer bedeutet.

Das ist aber nicht alles. Andere Eltern behaupten, dass Sie den Schulfrieden stören. Dass sie sogar andere Lehrer anschreien.

Das stimmt nicht. Ich habe noch nie einen Lehrer angeschrieen.

Aber wie kommt es dann zu solchen Behauptungen?

Das weiß ich nicht! Natürlich versteht man sich mit den Kollegen unterschiedlich – mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger.

Andere sehen das offenbar anders.

Es gibt sicherlich Neid und Missgunst. Ich weiß auch von Dritten, dass mir mitunter angelastet wurde, dass mein Mann im Bildungsbereich sparen musste. Ich war die Frau des Sparsenators. Da wurde ich in Sippenhaft genommen, ohne dass es mir offen gesagt wurde.

Ließ sich kein klärendes Gespräch führen?

Ich habe im Kollegium vorgeschlagen, dass mein Mann für sie einen Vortrag halten könnte über die Sparzwänge und die ganzen Zusammenhänge. Keiner hatte Interesse gezeigt.

Haben Sie denn keine Freunde im Kollegium?

Freunde und Kollegen sind etwas Unterschiedliches. Zu meinen Kollegen habe ich ein gutes kollegiales Verhältnis. Ich habe mit einer Kollegin sechs Jahre sehr gut zusammengearbeitet. Daraus hat sich eine gute Freundschaft entwickelt. Aber sie ist schon in Pension.

Es wird behauptet, dass Sie sogar Ihren Schulleiter anschreien.

Das stimmt nicht. Ich schreie weder meinen Schulleiter noch meine Kollegen an.

Aber offenbar stimmt doch irgendetwas nicht. Warum bleiben Sie dennoch an der Schule?

Ich habe hier bisher gern gearbeitet. Ich kenne die Strukturen hier seit neun Jahren. Außerdem gäbe es die Probleme, die ich jetzt habe, überall, weil ich immer Frau Sarrazin wäre.

Aber entmutigt Sie das nicht, dass Sie so beschimpft werden?

Sehr viele Eltern bestätigen, dass ich gut arbeite. Natürlich macht es mir zu schaffen, was jetzt von einigen Eltern behauptet wird.

Auch Ihr Schulleiter will Sie loswerden. Können Sie sich das erklären?

Unsere Ansichten über die Erteilung von Hausaufgaben sind sehr unterschiedlich.

Was heißt das?

An unserer Schule hat die Schulkonferenz beschlossen, dass donnerstags und freitags keine Hausaufgaben von einem Tag auf den anderen aufgegeben werden dürfen. Das heißt, ich kann am Mittwoch das letzte Mal Hausaufgaben auf den nächsten Tag aufgeben. Dagegen habe ich mich gewehrt. Aber ich halte mich natürlich dran.

Aber es gibt doch eine Vorgeschichte. Im Jahr 2008 wollte der damalige Schulrat sie versetzen, ein Jahr später der Schulleiter. Was ist daraus geworden?

Ich habe mich mit einem Rechtsanwalt damals gegen die angekündigte Versetzung erfolgreich gewehrt. Es wurden mir auch keine Gründe angegeben. Die Kosten für den Rechtsanwalt wurden mir in vollem Umfang ersetzt.

Von einzelnen Eltern kam dennoch immer wieder der Vorwurf, Sie würden den Schulfrieden stören.

Das stimmt nicht. Eine einzelne Lehrerin kann den Schulfrieden nicht stören. Wir sind immerhin rund 25 Kollegen.

Der Landeselternsprecher Günter Peiritsch sieht das anders. Sie haben ihm angeblich rechtliche Schritte angedroht, wenn er sich weiter so äußert. Stimmt das?

Ich habe meinen Anwalt eingeschaltet. Herr Peiritsch soll eine Unterlassungserklärung unterschreiben und seine Aussagen widerrufen.

Die Fragen stellte Susanne Vieth-Entus

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