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Schule: „Wenn etwas wunder-wunder-wunderschön ist“

Vor drei Jahren haben Kinder mit Wissenschaftlern über menschliche Erkenntnis diskutiert. Jetzt ist dazu ein Buch erschienen

Ein Wunder? Ist doch klar, was das ist: „Dass ich und meine Freundin Jasmina in dieselbe Schule gehen“, sagt die 13-jährige Manar. Jasmina ist nicht überzeugt: „Ist doch kein Wunder“. „Doch“, beharrt Manar, „wir sind beste Freundinnen, waren auf ganz verschiedenen Schulen und dann plötzlich kommen wir auf die Oberschule und erfahren, dass es dieselbe ist.“ Für den 14-jährigen Besnik sind Wunder „Zufälle, die es eigentlich gar nicht geben kann“. Und für die neunjährige Souad: „Wenn etwas wunder-wunder-wunderschön ist.“

Schon sind wir mittendrin in der „Werkstatt des Wissens“, die das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der Comenius-Garten in Neukölln vor drei Jahren veranstaltet haben. Wissenschaftler, Künstler und Kinder aus der Neuköllner Nachbarschaft haben damals gemeinsam philosphiert und geforscht. Dabei ging es um nichts weniger als die Grundlagen der Erkenntnis: Wie kann man herausfinden, ob es ein Phänomen tatsächlich gibt – und wie kann man es beweisen? Existiert das Einhorn wirklich? Und was ist eigentlich mit Gott?

Die Diskussionen zwischen Kindern und Wissenschaftlern kann man jetzt in dem Buch „Wunderforschung“ nachlesen. Das macht Spaß – denn die Kinder werden durchweg ernst genommen und kommen auf erstaunliche Gedanken. Der achtjährige Sammy interessiert sich zum Beispiel dafür, ob Gott Adam als Erwachsenen oder als Baby erschaffen hat – gute Frage, oder?

Es geht aber nicht nur ums Fragen, sondern auch um die Beweisführung. Die Kinder wissen zum Beispiel sehr wohl, dass Bilder lügen können: Fernsehen und Fotos enthalten zwar Spuren der Realität, sie reichen ihnen als Beweis aber nicht aus. Gemeinsame Erfahrungen oder das direkte Gespräch mit der Religionslehrerin zählen im Zweifelsfall eher. Auch Experimente durften nicht fehlen – zum Beispiel, um herauszufinden, was eigentlich das Wesen des Lebens ist. Und auch, wenn die Meinungen darüber auseinandergehen – einige neue Anregungen können auch Erwachsene aus den Diskussionen mitnehmen.

Angereichert ist der Band mit Essays der Wissenschaftler etwa über die Bedeutung von Wundern für den Erkenntnisfortschritt. In den Antworten und Fragen der jungen Forscher spiegeln sich dabei auch Wahrnehmungen wider, die für die modernen Naturwissenschaften kategorisch unter den Tisch fallen. So behauptet Jasmina, sie könne ihren kürzlich verstorbenen Großvater auf dem Spielplatz sehen. Das lässt sich experimentell nicht verifizieren – aber ist es nicht trotzdem wahr? Jasmina sagt, sie sehe die Seele des Großvaters, und die bestehe „aus der Liebe vom Herz“. Wissenschaftshistoriker Henning Vierck, der den Comenius-Garten leitet, bringt es auf diesen Punkt: „Der einzelne Mensch sieht nicht nur im Herzen, sondern auch mit dem Herzen.“ Claudia Keller

„Wunderforschung. Ein Experiment von Kindern, Wissenschaftlern und Künstlern“, hrsg. von Katja Bödeker und Carmen Hammer. Broschiert, 159 Seiten, Nicolai, Berlin 2010. 24 Euro.

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