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So arbeiten wir: Schulpsychologin Helke Bär-Wolz (Mitte) und Pädagogin Katrin Neuber (re.) erläutern Bildungssenatorin Sandra Scheeres ihr Tätigkeitsfeld.

© Britta Pedersen/dpa

Wenn Schule kein Selbstläufer ist: Hier finden Berliner Eltern, Lehrer und Schüler Hilfe

Früheinschulung, Inklusion, Lernstörungen, Suizidgefahr: In 13 Anlaufstellen leisten Fachleute der Bildungsverwaltung berlinweit Unterstützung.

Gustav* wohnt in Pankow und wird am 30. September sechs Jahre alt. Woraus messerscharf folgt, dass er im Sommer schulpflichtig wird. Aber ist er auch schulfähig? Der Schularzt sagt „Ja“, die Mutter sagt „Nein“, jetzt streiten Gustavs Eltern und geraten langsam in Panik, weil die Anträge auf eine Zurückstellung von der Schulpflicht bis zum 28. Februar gestellt werden müssen. Was tun?

Die heikle Frage der Schulreife ist nur eine von Dutzenden, die von Eltern als extrem belastend empfunden wird. Daneben gibt es noch wesentlich existentiellere wie etwa die, ob ein Kind suizidgefährdet oder "nur" depressiv ist, wie es vor dem allgegenwärtigen Mobbing geschützt werden kann oder ob ein Förderkind besser in einer Spezialschule oder in der inklusiven Beschulung aufgehoben ist und was bei Legasthenie oder Dyskalkulie helfen könnte.

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Für all diese Fragen gibt es seit 2016/17 pro Bezirk eine Anlaufstelle, die leider einen Zungenbrechernamen hat: „Schulpsychologisches und Inklusionspädagogisches Beratungs- und Unterstützungszentrum“ nennt die Bildungsverwaltung diese Hotspots und ist bemüht, zumindest die Abkürzung („SIBUZ“) und die vielfältigen Angebote bekannt zu machen. Zu diesem Zweck stattete Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dem SIBUZ in Pankow jetzt einen Besuch ab: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SIBUZ-Leiterin Beate Dapper hatten alle Hände voll zu tun, zumindest einen groben Überblick über all ihre Angebote für Eltern und Lehrer zu geben.

Wenn die Schulpsychologen und die Inklusionspädagogen erfolgreich zusammenarbeiten, entsteht ein gutes Beratungszentrum.
Wenn die Schulpsychologen und die Inklusionspädagogen erfolgreich zusammenarbeiten, entsteht ein gutes Beratungszentrum.

© Susanne Vieth-Entus

INKLUSION

„Wer sich nicht auf den Weg macht, der kann nicht ankommen“, sagt Monika Helbig. Sie arbeitet im SIBUZ, leitet aber außerdem die Schule im Blumenviertel. Früher gab es dort ein Förderkind, inzwischen sind es 50. „Augenmerkkinder“ werden sie hier genannt. Aus jedem Satz, den Helbig spricht, spricht auch die Überzeugung, dass Inklusion möglich ist, wenn alle es wirklich wollen. Über einen Mangel an Sonderpädagogen kann sie sich – anders als viele andere Schulen – nicht beklagen. Warum klappt es bei ihr? „Weil wir ein Konzept haben“, ist Helbigs prompte Antwort. „Aber auch wir stoßen an Grenzen“, gibt sie zu. Diese Mischung aus Erfahrung und Pragmatismus ist es wohl, die sie besonders dafür prädestiniert, im SIBUZ zu beraten: Inklusionspädagogen und Schulpsychologen haben 20 verschiedene Ansätze und Angebote erarbeitet, um alle auf ihrem Weg in die Inklusion zu beraten.

In Berlin werden inzwischen 70 Prozent der Förderkinder inklusiv beschult. Tendenz: steigend.
In Berlin werden inzwischen 70 Prozent der Förderkinder inklusiv beschult. Tendenz: steigend.

© Holger Hollemann/ddpa

SCHULREIFE

Einige Jahre lang galt in Berlin das Dogma, dass das Kind nicht reif für die Schule, sondern die Schule reif für das Kind zu sein habe. Geklappt hat das nicht, weshalb die Schulpflicht um ein Vierteljahr verschoben wurde. Daher gilt jetzt, dass die Schulpflicht nur für Kinder gilt, die bis zum 30. September desselben Jahres sechs werden. Vorher war der 31. Dezember der Stichtag, sodass noch mehr Kinder als jetzt bereits mit fünf Jahren ihren ersten Schultag hatten. Brandenburg plant gerade den Stichtag 30. Juni.

Durch die Verschiebung der Schulpflicht hat sich die Zahl der Anträge auf den Verbleib in der Kita von 8500 auf rund 2000 stark verringert, aber bei Kindern, die erst im Herbst sechs werden, sind viele Eltern unentschlossen und suchen Hilfe im SIBUZ: „Wir beraten diese Eltern sehr intensiv“, betont Leiterin Dapper. Sie ist davon überzeugt, „dass alle einverstanden sein müssen, denn ein guter Start ist wichtig“. Darum nehmen sich die Mitarbeiterinnen Zeit: Rund 300 Familien pro Jahr werden in dieser Frage beraten – auch Gustavs Eltern haben sich bereits angemeldet.

Wer sein Kind zurückstellen lasse, müsse aber darauf achten, dass die Kita ein gutes Vorschulprogramm anbiete, mahnt Dapper. Künftig will auch Scheeres mehr darauf achten, dass die Kitas ihre Bildungsaufgaben wahrnehmen. Sie folgt damit einer Empfehlung des Kieler Bildungsforschers Olaf Köller, wonach die Kinder in der Kita durch gute Förderung "school ready" werden müssten..

Wenn Kitas von der Schulpflicht zurückgestellt werden, sind gute Kita-Vorschulangebote besonders wichtig.
Wenn Kitas von der Schulpflicht zurückgestellt werden, sind gute Kita-Vorschulangebote besonders wichtig.

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild

TOD UND TRAUER

Es ist kein Zufall, dass der Umgang mit Trauerfällen in der Schule zu den Schwerpunkten gehört, die beim Besuch der Senatorin präsentiert wurden: Pankow gehörte zu den Bezirken, die sich 2019 mit Schülersuiziden auseinandersetzen mussten. Zudem kommt es immer wieder vor, dass Schulangehörige durch Unfälle oder Krankheiten sterben. Wie umgehen damit? Schulpsychologin Maren Peters hat die Erfahrung gemacht, dass es Schulen hilft, der Trauer einen Ort zu geben. Wie dieser Ort aussehen könnte, hat sie im SIBUZ beispielhaft nachgebaut: Blumen und eine Art Kondolenzbuch gehören zum Erwartbaren, aber daneben liegen auf dem schwarzen Tuch auch Gummibärchen und kleine Andenken, um zu zeigen, dass Schüler ihre Trauer und ihre Erinnerung an die verstorbene Person auf vielfältige Art ausdrücken können. Peters geht in die Schulen, überbringt auf Wunsch die Todesnachricht, führt Einzelgespräche und bietet auch Nachsorge an.

Schulpsychologin Maren Peters berät Schulen bei der Bewältigung von Trauerarbeit.
Schulpsychologin Maren Peters berät Schulen bei der Bewältigung von Trauerarbeit.

© Britta Pedersen/dpa

BEGABUNGSFÖRDERUNG

Ein riesiger aufgeklappter Koffer mit Büchern und Broschüren steht in dem SIBUZ-Raum, indem es darum geht, die besonderen Potentiale von Kindern zu entdecken. Schulpsychologin Helke Bär-Wolz und Pädagogin Katrin Neuber machen Schulen Mut, „Dinge einzuleiten“, damit Lehrer die großen Möglichkeiten erkennen und fördern, die in vielen Kindern stecken: Sie ermutigen Schulen dazu, neue Wege bei der Förderung zu gehen oder sie erläutern, wie es klappen könnte, ein Netzwerk zu stricken, um Kindern mehr zu bieten. Manchmal geht es darum, Verbindungen zur Kinderuni herzustellen oder Vereinen herzustellen - etwa beim Schachspiel - oder auch darum, Leistungsstress auf den Grund zu gehen oder Lernangst abzubauen. Und wenn ein Kind gar nicht lernen will? „Dann müssen wir herausfinden, warum das Interesse verloren gegangen ist“, sagt Neuber. (*Name geändert)

Vom Problem zur Lösung - zum Beispiel im Fall einer vermuteten Rechtschreibschwäche.
Vom Problem zur Lösung - zum Beispiel im Fall einer vermuteten Rechtschreibschwäche.

© Susanne Vieth-Entus

Infos zu allen 13 Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentrum, davon eines für die Berufsschulen, gibt es HIER auf der Webside der Bildungsverwaltung.

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