zum Hauptinhalt

Berlin: Schulen in Ost-Berlin: Boykottiert und abgestraft

Mitte der 90er Jahre wollte ich als Schulleiter in den Ostteil, um was Neues aufzubauen. Anfangs war alles in Ordnung.

Mitte der 90er Jahre wollte ich als Schulleiter in den Ostteil, um was Neues aufzubauen. Anfangs war alles in Ordnung. Aber sobald ich anfing nachzufragen, wie die DDR-Geschichte im Unterricht aufgearbeitet wird und welche Rolle Mauerbau und 17. Juni spielen, wurden die Kollegen sauer. Es wurde gewaltig geblockt. Die haben nichts gemacht und abgewartet.

Das läuft heute noch so. Sie haben auch ein Projekt blockiert, in dem die Schüler aktiv die Wahl zum Abgeordnetenhaus begleiten und "nachspielen" konnten. Sie haben die Schüler absichtlich nicht zum Mitmachen ermuntert, so dass nur eine geringe Beteiligung zustande kam. Das PDS-bestimmte Bezirksamt hat meine Anträge für dringend notwendige Unterrichtsmaterialien ignoriert, wahrscheinlich, um mich als "Wessi" abzustrafen. Es lief wie ein unauffälliger Boykott.

Eine Weile war für mich die Arbeit an meiner Schule kaum auszuhalten. Man will was bewegen, aber man merkt immer wieder: Sie wollen nicht. Es gibt zwar auch nette Kollegen, aber die Atmosphäre zwischen Ost- und West-Schulen ist überhaupt nicht vergleichbar. Auch die fachlichen Vorstellungen der Kollegen sind noch sehr in der alten Aubildung verhaftet. Reine DDR-Methodik: Befehl und Gehorsam. Kein selbstständiges Handeln.

Es wird viel länger dauern, bis sich was ändert. Man hätte niemals entscheiden dürfen, generell alle DDR-Lehrer zu übernehmen. Das war ein Fehler, der damals von dem CDU-Schulsenator Jürgen Klemann und der GEW begangen wurde. Auf diese Weise sind zu viele Pädagogen, die belastet waren, in ihren Funktionen geblieben. Es musste ja auch nur ein Viertel der Lehrer gehen, die nachweislich Stasi belastet waren.

Wir haben nach der Wende geträumt, als wir dachten, die Schulen würden sich schnell angleichen. Man hätte die Kollegien viel mehr mischen müssen - so wie es in den Berufsschulen geschehen ist. Es ist so frustrierend, dass ich in Frühpension gehe.

Ich war Ende der 80er Jahre aus der DDR ausgereist, weil ich es nicht mehr aushielt. Als Lehrerin hatte ich mit ansehen müssen, wie anders denkende Schüler drangsaliert wurden. Ich habe mich dann in Westdeutschland fortgebildet und weiter als Lehrerin gearbeitet. So bin ich auch mit modernen Unterrichtsformen vertraut geworden.

Vor rund fünf Jahren überkam mich die Sehnsucht nach meiner Stadt. Da traf ich dann alte Genossen wieder, auch im Landesschulamt. "Warum bist du wiedergekommen"? wurde ich gefragt. Meine Schulleiterin in Mitte hat aus reiner Schikane nochmals meine Stasi-Überprüfung in Auftrag gegeben. Sie wollte mich dafür abstrafen, dass ich zwischendurch im Westen war. Ich hatte das Gefühl, in einem Sumpf zu sitzen, der sich überall breit macht, dass ich kotzen muss über die Verstrickungen. Wenn ich an der Schule geblieben wäre, wäre ich nach zwei Jahren tot gewesen.

Schlimm fand ich auch, dass Mauerbau und Mauerfall nicht im Unterricht behandelt wurden. Allerdings gab es auch Kollegen, die sich fortgebildet haben. Deshalb muss man sich vor Pauschalurteilen hüten. Es gibt ja auch tolle Schulen im Ost-Teil, die international viel mit anderen Schulen kooperieren.

Man sollte überlegen, ob man den Lehrern nicht 100 Prozent des West-Gehalts gibt, damit sie sich ernst genommen fühlen, und sie sich nicht mehr so bemitleiden können. Man kann dann mit den Leuten anders reden. Und man soll sie öfter zu Fortbildungen schicken - verpflichtend. Die Mecker-Mentalität des sich Zurücklehnens hat sich bewahrt. Auch eine Form von Selbstmitleid. Früher hieß es: die bösen Genossen. Heute: die bösen Wessis. Man ist unter sich.

Zwischendurch war ich auf einer anderen Oberschule, da sagte eine Lehrerin: "Ich will mein DDR-Lesebuch wiederhaben. Das hatte wenigstens noch Niveau." Die haben überhaupt nicht gemerkt, mit was für Büchern sie damals arbeiten mussten. Dieselben Lehrer, die sich jetzt so pazifistisch benehmen und über den Einsatz in Afghanistan herziehen, haben vor der Wende Schüler drangsaliert, die den Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen" trugen.

Ich wurde gemobbt, weil ich neue Unterrichtsformen wollte. Die hielten alle zusammen. Solidarität gab es, wenn überhaupt, immer erst nach der Gesamtkonferenz. Nichts ist aufgearbeitet worden. Aber im Westen wurde auch vieles versäumt. Ich stehe mittendrin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false