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Berlin: Schulen melden immer mehr Gewaltvorfälle Zunahme um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr

Senat sieht trotzdem eine positive Entwicklung

Im vergangenen Schuljahr sind wesentlich mehr Gewaltvorfälle an Berliner Schulen gemeldet worden als im Jahr zuvor. Einen Anstieg von 60 Prozent verzeichnet der aktuelle „Bericht zur Entwicklung von Gewaltvorfällen“. Allerdings sei dieser Anstieg „kein Anzeichen für eine Gewaltspirale“, betonte Bildungs-Staatssekretär Thomas Härtel (SPD) gestern bei der Vorstellung des Berichts. Es gebe nicht mehr Delikte, sondern eine zunehmende Bereitschaft, diese zu erkennen und zu melden. Wenn ein Schüler einen Stift oder ein Buch nach jemandem wirft und ihn nur leicht verletzt, gelte das schon als gefährliche Körperverletzung, erläuterte Innen-Staatssekretär Ulrich Freise (SPD).

Schon seit 1992 gibt es in Berlin eine Meldepflicht für Gewaltvorfälle. 894 Gewaltdelikte sind für 2004/05 gemeldet worden, 560 waren es im Jahr zuvor. Im Vergleich zu 2001/2002 haben sich die Meldungen sogar vervierfacht. In jenem Jahr – nach dem Amoklauf von Erfurt – habe die gezielte Aufklärungsarbeit begonnen, sagte Härtel. „Die Zahlen beweisen, dass das Meldesystem funktioniert. Deshalb nehmen wir die Steigerung mit Befriedigung zur Kenntnis“, betonte Freise. „Gäbe es hingegen ein gestiegenes Gewaltpotenzial, sähe man das auch an der Jugendgruppenkriminalität an Schulen.“ Diese gehe jedoch seit 1998 kontinuierlich zurück, im vergangenen Schuljahr um knapp vier Prozent.

Laut Freise ist das ein Erfolg der Präventionsarbeit. Polizisten unterrichteten „Antigewalttraining“. Schulpsychologen, Konfliktlotsen und Mediatoren seien fast ständig im Einsatz. „Wie haben ein großes Netzwerk zur Prävention in Berlin“, sagte Freise. Eine bestimmte Gruppe Jugendlicher hat das Netzwerk allerdings anscheinend noch nicht vollständig erreicht: An über 40 Prozent der Gewaltvorfälle sind Migranten aus Einwandererfamilien beteiligt, obwohl sie nur rund 20 Prozent der Schülerschaft ausmachen. Seit einem halben Jahr gebe es deshalb eine Arbeitsgruppe für neue Präventionsmodelle, die sich speziell an diese Jugendliche richteten, sagte Freise.

Die ebenfalls stark angestiegene Zahl von Delikten mit rechtsextremistischem und islamistischem Hintergrund erklärt Härtel mit der guten Aufklärungsarbeit: „Erst vor kurzem haben wir Broschüren an Lehrer und Eltern verteilt, in denen Symbole und Details erklärt werden. Viele wussten darüber nur wenig.“ Die CDU wollte sich dieser positiven Deutung der gestiegenen Deliktzahlen nicht anschließen: Ihre Abgeordnete Katrin Schultze-Berndt bezeichnete die Zahlen als „bestürzend“.

Daniele Martens

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