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Mit einer verkürzten Schulzeit nimmt der Druck auf die Abiturienten zu.

© dpa

Schulpolitik: Das Turbo-Abitur ist noch kein Selbstläufer

Viele Berliner Schüler und Eltern fühlen sich in ihrer Kritik bestätigt. Die Rückkehr von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zum Abitur nach 13 Jahren heizt die Debatte an.

Der Streit um das Turbo-Abitur ist zurück auf der Tagesordnung. Nachdem Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein den Gymnasien freistellen wollen, zum Abschluss nach 13 Jahren zurückzukehren, schöpfen auch Berlins Reformgegner neue Hoffnung. Landeselternausschuss und GEW bestätigten, dass es „zunehmend Unmut gibt“. Die Grünen begrüßten die Möglichkeit einer „Flexibilisierung“. Die rot-rote Koalition will aber erst mal nichts ändern. CDU und FDP warnten davor, die Schulen durch eine erneute Diskussion zu verunsichern.

GEW-Chefin Rose-Marie Seggelke sagte auf Anfrage, das Thema sei an den Gymnasien keineswegs „durch“. Lehrer und Schüler fühlten sich durch den Zeitdruck gegenüber den Sekundarschulen benachteiligt. Allerdings hält Seggelke es nicht für gerechtfertigt, die Reform zum jetzigen Zeitpunkt zurückzudrehen, nachdem die Schulen sich seit vier Jahren mühselig auf das verkürzte Abitur umgestellt hätten. Mieke Senftleben von der FDP nannte es ein „Armutszeugnis“, wenn die Politik den Schulen eine derartige Kehrtwende zumute. An dieser Einschätzung ändere auch die Tatsache nichts, dass es in Kiel ein FDP-Minister ist, der die Abkehr vom „Turbo-Abitur“ vertritt.

Wie berichtet, können die Gymnasien in Schleswig-Holstein und NRW von 2011 an selbst entscheiden, ob sie zu einem 13-jährigen Abitur zurückkehren – in NRW zunächst im Rahmen eines Modellversuchs, in Schleswig-Holstein sogar flächendeckend. Vorangegangen waren nicht abreißende Klagen über volle Stundenpläne und lange Unterrichtstage ohne Mensa oder Freizeiträume.

In Berlin hatte es weniger Kritik gegeben als in den anderen Bundesländern: Dies lag zum einen daran, dass viele Bezirke es schafften, in absehbarer Zeit Mensen zur Verfügung zu stellen. Zum anderen gibt es in Berlin als Alternative die 13-jährige Abiturvariante an den Sekundarschulen. Dennoch hätten die Schülervertretungen immer gegen das Turbo-Abitur votiert, betonte Landesschülervertreter Vito Dabisch und verwies etwa auf eine Protest-Schulbesetzung am Britzer Albert-Einstein-Gymnasium. Nach wie vor sehen auch die Eltern mit Sorge, dass ihre Kinder bis in den späten Abend hinein Schularbeiten machen müssen und die Zeit für Hobbys stark begrenzt worden ist. Der Landeselternausschuss will den aktuellen Klagen und dem „zunehmenden Unmut“ nachgehen.

Sascha Steuer (CDU) wandte sich gestern gegen eine Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren, weil bundesweit inzwischen fast alle Länder auf zwölf Jahre umgestellt haben. Eine derartige Frage müsse „bundeseinheitlich“ geregelt sein.

Tatsächlich haben fast alle Länder – zum Teil widerstrebend – auf zwölf Jahre umgestellt, wobei im Nachhinein kaum noch jemand sagen kann, wer den Anstoß gegeben hat. Die Kultusministerkonferenz betont jedenfalls, dass es dazu keinen gemeinsamen Beschluss gegeben habe. Ausgangspunkt der Debatte war vor rund zehn Jahren die Nach-Pisa-Diskussion über zu alte Studienanfänger in Deutschland. Das einzige Bundesland, das einen eigenen Weg beschritt, war Rheinland-Pfalz, das lediglich ein Vierteljahr abkürzte. Verantwortlich war dafür in Mainz Berlins jetziger Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Der habe den Wechsel von 13 auf zwölf Jahre „von Anfang an kritisiert und entsprechend nicht umgesetzt“, sagte sein Sprecher Jens Stiller. Berlin habe sich aber nun mal unter Zöllners Vorgänger Klaus Böger (SPD) für einen anderen Weg entschieden.

Die Bildungspolitiker Felicitas Tesch (SPD) und Steffen Zillich (Linke) sagten in Übereinstimmung mit dem Verband der Oberstudiendirektoren, dass man den Gymnasien keine erneute Diskussion über diese Reform zumuten dürfe. Zillich ergänzte zwar, dass er sich „langfristig“ andere Lösungen vorstellen könne, aber eben nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Festhalten will die Koalition auch an der Verpflichtung zum jahrgangsübergreifenden Lernen (JüL) an der Grundschule. Nachdem über 90 Prozent der Schulen JüL umgesetzt hätten, könne man das nicht plötzlich wieder zur Disposition stellen. Dieser Ansicht ist auch Özcan Mutlu (Grüne). Allerdings fordert er eine bessere Ausstattung der Schulen, um die anspruchsvolle Unterrichtsmethode bewältigen zu können. CDU und FDP stehen dafür, JüL nur freiwillig umzusetzen.

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