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Berlin: Schuluniformen: Das vereinheitlichte Klassenzimmer

Was Gregor Gysi vor einem Jahr nicht schaffte, hat jetzt eine Hamburger Schulklasse erreicht: Schuluniformen werden in Berlin als ernstzunehmende Bekleidungsalternative diskutiert. Ob als Antwort auf den harten Markenzwang oder als Stifter eines neuen Identifikationsgefühls zwischen Schule und Schüler - eine vorgeschriebene einheitliche Bekleidung ist für viele kein Tabu mehr.

Was Gregor Gysi vor einem Jahr nicht schaffte, hat jetzt eine Hamburger Schulklasse erreicht: Schuluniformen werden in Berlin als ernstzunehmende Bekleidungsalternative diskutiert. Ob als Antwort auf den harten Markenzwang oder als Stifter eines neuen Identifikationsgefühls zwischen Schule und Schüler - eine vorgeschriebene einheitliche Bekleidung ist für viele kein Tabu mehr. Als schöner Nebeneffekt wird noch gelobt, dass rechte Insignien wie Springerstiefel und Lonsdale T-Shirts aus Schulen verschwänden.

So vehement hat die Zahl derer zugenommen, die offen für das Thema sind, dass es offenbar nur noch des Hamburger Beispiels als Katalysator bedurfte, um die Diskussion zu entfachen. Dabei entschied sich an der Alster bisher nur eine einzige Klasse für den einheitlichen Zwirn und auch nur bis zur Tischkante: Die Wahl der Hose oder des Rock und der Schuhe bleibt weiter jedem selbst überlassen. Gysi hatte bereits im März 2000 im Tagesspiegel zur Diskussion gestellt, ob Schuluniformen nicht den "materiellen Konkurrenzdruck" an den Schulen dämpfen könnten.

Während diese Frage damals verhallte, gibt es jetzt ein erstaunliches Echo auf die grünen Einheits-Sweatshirts der Hamburger. Nicht nur der Landesschulbeirat diskutierte inzwischen über Schuluniformen in Zeiten der Springerstiefel, sondern auch viele Kollegien und Fraktionen. Offene Ablehnung ist allerdings von Seiten der Hauptbetroffenen zu hören. "Die Kinder sollten das Recht haben, anzuziehen, was sie wollen", sagt kategorisch der zehnjährige Loris Kempchen aus Wilmersdorf. Auch Lew Chmelnitzki, sechzehnjähriger Gymnasiast aus Mitte, wehrt sich gegen derartige Vorschriften. Nach Schulschluss werde sowieso jeder "mit seinen Markenklamotten angeben", so sein Argument.

Anders reagieren Kinder, für die Schuluniformen bereits zum Alltag gehören. Dies sind in Berlin die Schüler der beiden englischen Privatschulen in Charlottenburg und Spandau. Es gebe keine Probleme mit der Bekleidungsvorschrift, betont etwa John Marshall von der British International School. Hier sind dunkle Schuhe vorgeschrieben (keine Turnschuhe!), dazu dunkelblauer oder schwarzer Rock bzw. Hose. Die Schule bestellt aus England für 45 Mark ein blaues Sweatshirt und ein weinrotes Poloshirt für 30 Mark, beides mit dem eigenen Emblem der Schule. Selbst die Dreijährigen, die den angegliederten Kindergarten besuchen, werden in die Schulfarben gehüllt.

Erstaunlich nah beieinander sind die Parteien und die Senatsschulverwaltung in der Frage der Einheitskleidung. Alle lehnen zwar deren Einführung durch Weisung "von oben" ab, hätten aber nichts dagegen, wenn Schulen sich intern darauf verständigten. Schon die Begeisterung der Hamburger Fünftkässler für ihre waldgrünen Baumwollstücke zeigt etwa Evelyne Neumann von der SPD, dass an der Sache irgendetwas dran ist. Überdies begrüßt sie "jede Maßnahme, die die Identifikation mit der Schule stärkt". Allerdings teilt sie die Bedenken, dass sich das Problem des Markenzwangs nicht beheben lässt.Das sieht der neu gewählte Landeselternsprecher Peter Schmidt anders. Er erhoffe sich sehr wohl, dass der Markenzwang durch die Schuluniformen abnehme und "soziale Unterschiede nicht so zu sehen wären. Lothar Sack, Leiter der Neuköllner Fritz-Karsen-Schule, kann sich sogar vorstellen, das Thema innerhalb seiner Schule zur Sprache zu bringen, denn der Markenzwang sei "eine der bösesten Sachen, die ihm begegnet sind". Der Druck werde immer größer. Schüler, die solche Sachen nicht trügen, würden regelrecht "geschnitten". Wenn eine Bekleidungsvorschrift in dieser Hinsicht Wirkung zeigen solle, müsse sie aber bis hin zu den Schuhen alles einbeziehen.

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Die schulpolitischen Sprecher von CDU und PDS monieren, dass Schuluniformen in Deutschland keine Tradition hätten und deshalb kaum durchsetzbar seien. Auch glauben sie, damit wenig gegen den Markenzwang ausrichten zu können. Allerdings fände es die PDS-Abgeordnete Siglinde Schaub "wunderbar", wenn so eine Übereinkunft an einer Schule wachse und eine Identifikation stifte. Genau diese Wirkung erwartet ihr CDU-Pendant Stefan Schlede allerdings nicht - und wenn, dann nur an Privatschulen, die unter einem bestimmten gemeinsamen Gesichtspunkt von den Eltern gewählt würden, etwa aufgrund ihrer konfessionellen Ausrichtung. Gern erinnert sich der Ex-Schüler des katholischen Canisius-Kollegs an die Sporthemden mit den Initialen "CK". Generell setzt aber auch Schlede auf rege Diskussionen in den Schulen - genau wie Özcan Mutlu von den Bündnisgrünen, der die Schüler einbezogen sehen will.

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