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Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) ist Justizsenator des Landes Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schutz gegen Menschenfeinde: Berlin will ein Antidiskriminierungsgesetz einführen

Es wäre bundesweit eine Premiere: Berliner sollen ab 2020 gegen Diskriminierung durch die Verwaltung klagen können. Ein Konflikt mit dem Kopftuchverbot?

Wer sich im Kontakt mit der Berliner Verwaltung diskriminiert fühlt - sei es bei der Beantragung eines Personalausweises oder einer Baugenehmigung -, kann sich ab dem kommenden Jahr dank des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes dagegen wehren. Das kündigte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), zuständig für die Antidiskriminierung, am Dienstag im Anschluss an die Sitzung des Senats an.

Dessen Mitglieder hatten zuvor einen von Behrendt erarbeiteten Gesetzentwurf unterzeichnet. Stimmt das Abgeordnetenhaus dem zu, kann das Gesetz laut Behrendt im kommenden Jahr in Kraft treten. Es wäre das erste Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) bundesweit.

Behrendt, der eingangs die Genese des Gesetzentwurfs aufgezeigt hatte - einen ersten Anlauf hatte bereits die Koalition von SPD und Linken ab 2006 unternommen - zeigte sich sichtlich zufrieden. Er bezeichnete das LADG als "wichtiges Zeichen für die Antidiskriminierung" und erklärte, der Entwurf habe Vorbildcharakter auch für andere Bundesländer. Gerade in Zeiten, in denen die "Menschenfeindlichkeit" zunehme, sei ein "klares Zeichen gegen Diskriminierung" wichtig, sagte Behrendt weiter.

Konkret soll das LADG vor Diskriminierung verschiedenster Art schützen. Kategorien sind unter anderem rassistische Zuschreibungen, ethische Herkunft, Religion, das Geschlecht aber auch Behinderungen, chronische Erkrankungen und der soziale Status. Das LADG regelt in Ergänzung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sämtliche Beziehungen der Bürger zu öffentlich-rechtlichem Handeln, den Kontakt zur Polizei genau wie jenen Finanzbeamten.

Betroffene können Schadenersatz und Entschädigungen einklagen, die Verjährungsfrist soll bei einem Jahr liegen. Vorgesehen ist darüber hinaus die Schaffung einer Ombudsstelle, sobald das Gesetz beschlossen ist.

Schulungen für eine "diskriminierungsfreie Verwaltung"

Behrendt zufolge, der laut eigener Aussage nicht davon ausgeht, dass es nach Einführung des LADG zu einer Vielzahl von Klagen kommen wird, nannte als Zielsetzung des LADG eine diskriminierungsfreie Verwaltung. Er kündigte an, es werde Schulungen für die Mitarbeiter geben.

Verstöße sollen mittels sogenannter Testing-Verfahren ermittelt werden. Dabei wendet sich ein begrenzter Kreis von Personen in einer Art Selbstversuch mit ein und demselben Anliegen an die Verwaltung und untersucht, ob Diskriminierungen, beispielweise aufgrund der unterschiedlichen Herkunft der Gruppenmitglieder, auftauchen. Ähnliche Verfahren werden beispielsweise am Einlass von Clubs angewendet. Verwaltungsmitarbeiter sollen aber nicht selbst Teil dieses Testings sein.

Behrendt: Kein Konflikt mit Neutralitätsgesetz

Behrendt machte deutlich, dass der Entwurf für das LADG nicht in Konkurrenz zum Neutralitätsgesetz stehe, das unter anderem Lehrerinnen an Berliner Schulen das Tragen von Kopftüchern verbietet. In der Vergangenheit hatte es wegen dieser Frage Streit zwischen Behrendt und Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) gegeben. Im Raum stand der Vorwurf, Behrendt wolle das Kopftuchverbot über die Hintertür LADG kippen.

Der dementierte am Dienstag und erklärte, einen Konflikt beider Gesetze habe es auch in der Vergangenheit nicht gegeben. Auch aus der Schulverwaltung hieß es, die Bedenken in diese Richtung seien ausgeräumt worden. Außerdem habe Scheeres Änderungen eingebracht, die schließlich auch berücksichtigt wurden.

Rechtsanwältin Seyran Ates, die die Senatsschulverwaltung in Verfahren gegen das Kopftuchverbot juristisch vertritt, hatte ebenfalls am Dienstag den Vorwurf gegen Behrendt aufrecht erhalten, dieser wolle das Neutralitätsgesetz abschaffen. "So viel ich weiß, hat Herr Behrendt das Ziel geäußert, dass er das Neutralitätsgesetz für verfassungswidrig hält und abschaffen will", sagte Ates dem Tagesspiegel. Sie und Behrendt hatten sich zu dieser Frage zuletzt im einen öffentlichen Schlagabtausch geleistet.

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