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ALLGEMEINBILDENDE SCHULE ODER SONDERSCHULE?: ''Schwache profitieren von Stärkeren''

Ulf Preuss-Lausitz, 68, arbeitet als Erziehungswissenschaftler an der Technischen Universität. Er setzt sich seit 30 Jahren für das Integrationsmodell ein.

Was raten Sie Eltern, die ein Kind mit Förderbedarf in eine Oberschule einschulen?

Ich würde auf jeden Fall zu einer wohnortnahen allgemeinbildenden Schule raten, egal welche Einschränkungen das Kind hat. Schwache Schüler profitieren immer mehr, wenn sie in einer Klasse mit leistungsstärkeren zusammen lernen, als wenn sie unter sich sind. Das gilt auch für sinnes-, körper- und geistig behinderte Kinder. Wenn die Einschränkungen sehr groß sind, können manche vielleicht nicht den ganzen Tag an einer Regelschule mitmachen. Wie dann die gemeinsame Lernsituation gestaltet wird, müssen die Eltern, Lehrer und die aufnehmende Klasse gemeinsam mit dem Jugendlichen klären. Dieser Weg ist günstiger als eine Sonderschule.

Was macht Sie so sicher?

Viele Studien haben bestätigt: Je früher auf eine Sonderschule, desto schlechter die Lern- und Sozialentwicklung. Jugendliche, die auf eine Sonderschule verwiesen werden, werden von ihren Freunden getrennt, müssen lange Wege zur Schule gehen, fühlen sich oft stigmatisiert. Das mindert die Motivation sehr.

Beweist nicht die Studie von Rainer Lehmann von der Humboldt-Universität das Gegenteil? Sie hat nach seinen Aussagen kürzlich ergeben, dass die Schüler an den untersuchten Sonderschulen bessere Leistungen erbringen als an allgemeinbildenden Schulen.

Die Berliner Daten zeigen, dass 58 Prozent der Absolventen aus allen Sonderschulen nicht mal einen Hauptschulabschluss erwerben, nur knapp zwei Prozent einen Hochschulabschluss. Bei den Lernbehindertenschulen sieht es noch düsterer aus: Fast drei Viertel erhalten keinen Hauptschulabschluss. Das kann man kaum erfolgreich nennen. Ehe Lehmanns Studie und ihre methodischen Grenzen nicht vollständig veröffentlicht sind, sollte man vorsichtig sein mit Interpretationen der Verfasser. Internationale Studien haben durchweg gezeigt, dass die Chancen von förderbedürftigen Kindern an Regelschulen größer sind, als wenn sie in Sonderschulen unterrichtet werden. Das gilt für die Berufsausbildung und bei der selbständigen Lebensführung.

Profitieren auch die Kinder ohne Einschränkungen in einer Integrationsklasse?

Ja! Sie lernen einen selbstverständlichen Umgang mit Behinderungen. Auch profitieren sie davon, dass die Integrationsklassen kleiner sind als normale Klassen.

Ulf Preuss-Lausitz, 68, arbeitet als Erziehungswissenschaftler an der Technischen Universität. Er setzt sich seit 30 Jahren für das Integrationsmodell ein. Mit ihm sprach Claudia Keller

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