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© Mike Wolff

Schweinegrippe: Das Chaos ist schneller als das Virus

Die Kritik an der Gesundheitsverwaltung wird schärfer. Die Auslieferung des Impfstoffs stockt weiterhin. Die Ärzte warten Wochen auf Zusagen.

Die Impfung der Berliner gegen die Schweinegrippe kommt nicht in Gang. Erst Ende der Woche sollen alle Praxen, die Verträge mit dem Senat abgeschlossen haben, erste Impfstoff-Lieferungen bekommen. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) erklärte, Berlin bekomme weniger Impfstoff als angekündigt. Und um die Probleme mit der Auslieferung an impfende Ärzte zu beheben, werde die St.-Hubertus-Apotheke, die als einzige aus Dresden angeliefert wird, mehr Autos einsetzen. So sollen Ende der Woche endlich 400 Ärzte die Berliner impfen können.

Allerdings liegt auch bei der Abstimmung zwischen dem Senat und den Medizinern noch vieles im Argen: Impfwillige Ärzte werden abgewiesen oder bekommen auch Wochen nach der Abgabe des unterzeichneten Vertrags keine Nachricht von der Behörde. Die allgemeine Verunsicherung überträgt sich wie ein Virus auf die Impfwilligen Berliner – zumal diese gestern in vielen Bezirken von Ärzten abgewiesen wurden. Die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung Marie-Luise Dittmar sagte: „Wir haben alle verfügbare Kräfte eingesetzt, aber jeder Vertrag muss einzeln geprüft werden.“

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD Stefanie Winde sagte: „Senatorin Lompscher und ihr Staatssekretär waren frühzeitig mit der Schweinegrippe beschäftigt, aber sie haben keine Lösung gefunden oder das falsche Personal.“ Winde sprach von Versäumnissen in der Organisation und der Kommunikation. So hätte eine zentrale Berlin-weite Hotline eingerichtet werden müssen. Wenig Verständnis habe sie auch dafür, dass die Bearbeitung der Verträge von impfwilligen Ärzten so lange braucht. Das Hauptproblem sei jedoch, „dass wir nicht genügend Impfstoff haben“. Außerdem hätten Ärztekammer und Verbände die Umsetzung der Impfung erschwert.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Links-Fraktion Wolfgang Albers kritisierte die Abstimmungsprobleme zwischen Senat und Ärzten. In einem Fall sei ein impfwilliger Arzt sogar abgewiesen worden. Von einer mangelhaften Krisenmanagement will Albers trotzdem nichts wissen: „Es gibt keine Krise und trotz des Boykotts der Kassenärztliche Vereinigung haben wir 400 Arztpraxen für die Impfungen gewonnen“, so der frühere Chirurg. Das sei ein gute Leistung.

Dagegen üben die Kinder- und Jugendärzte heftige Kritik an der Abwicklung der Impfungen. Beim Berufsverband ist von einer „planlosen Impfaktion“ die Rede. Auch die Berliner Frauenärzte sprachen von einem „wilden Durcheinander“ bei der Organisation und Information rund um die Impfung. Auch die Berliner Verbraucherzentrale hatte die mangelhafte Organisation durch Senat und Kassenärztliche Vereinigung kritisiert und die Vorbereitung der Impfung „eine Schweinerei“ genannt.

Einen ungeheuren Andrang in seiner Praxis in Tegel hatte Internist Klaus Neye, der zu einem der ersten Ärzte gehörte, die impfen konnten. Die erste Charge von 100 Impfdosen hatte er bereits am Montagvormittag gespritzt. Jetzt steht er vor Nachschubproblemen. Noch am frühen Morgen sandte er ein Fax los, um weitere 500 Dosen zu bestellen. Bis gestern Mittag gelang es ihm nicht, einen persönlichen Kontakt mit der St.-Hubertus-Apotheke herzustellen. Dabei hatte er 60 Patienten für den Nachmittag bestellt und weitere 100 für den heutigen Mittwoch.

Wie kam Hertha BSC so schnell an den Impfstoff?

Im Gegensatz zu vielen Berlinerinnen und Berlinern hatte die Bundesliga-Mannschaft von Hertha BSC keine Probleme, an den Impfstoff zu gelangen. Nach Aussage von Herthas Mannschaftsarzt Ulrich Schleicher, war die schnelle Impfung der Fußball-Mannschaft möglich, da er sich bereits vor einigen Wochen dafür eingesetzt hatte, dass ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen würde. „Wir hatten das langfristig geplant“, sagt Schleicher, der den Spielern als einer der wenigen Bundesligaärzte eine Impfung empfohlen hatte.

„Leistungssportler sind unmittelbar nach einem Spiel anfällig für Infektionen. Außerdem sind sie ständig unterwegs, weshalb die Ansteckungsgefahr größer ist.“ Schleicher hatte der Mannschaft auch in den vergangenen Jahren freiwillige Grippe-Impfungen empfohlen. Wegen der Länderspielpause am Wochenende sollte die Schweinegrippen-Impfung der Profis gleich zu Beginn dieser Woche durchgeführt werden, um bei Nebenwirkungen den Spielbetrieb nicht zu gefährden. „Bis auf fünf oder sechs Profis, die gesundheitlich angeschlagen sind, haben sich alle Spieler unmittelbar impfen lassen“, sagt der Mannschaftsarzt. Von Nebenwirkungen sei bisher nichts bekannt. Auch Trainer Friedhelm Funkel ließ sich immunisieren.

Unterdessen warf die Patientenbeauftragte des Senats, Karin Stötzner, der Berliner Ärzteschaft vor, zur Verunsicherung der Patienten beigetragen zu haben und sich unter anderem aus finanziellen Erwägungen nicht an der Impfaktion zu beteiligen. Wenn ein solches Programm beschlossen sei, gehöre es zur „Leistungspflicht eines Arztes“.

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