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© DAVIDS/Darmer

Schweinegrippe: Zerstrittene Ärzte und verunsicherte Patienten

Das Impfchaos geht weiter: Bei Schwangeren und Kindern herrschen große Unklarheiten – und die Behörden geben nur unverbindliche Empfehlungen. Die Folge: Verunsicherung.

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Der Streit um Sinn oder Unsinn der Schweinegrippe-Impfung spaltet die Berliner Ärzteschaft – und die Patienten sind zunehmend verunsichert. Das Vertrauen in die Mediziner schwindet, und Impfwillige fühlen sich durch die ablehnende Haltung mancher Mediziner brüskiert. So weigerte sich ein Arzt, die schulpflichtigen Kinder einer Berlinerin zu impfen, die in den nächsten Tagen entbindet. Der Frau war von ihrer Hebamme zur Impfung aller Familienmitglieder geraten worden, um das neugeborene Kind, das keine Abwehrstoffe gegen die neue Grippe besitzt, zu schützen. Unsicherheit herrscht auch darüber, ob sich jeder impfen lassen kann oder nur chronisch Kranke. Das wird gleichfalls von Arzt zu Arzt verschieden gehandhabt, ebenso wie die Beratung von Schwangeren. Besser lief hingegen das neue Impfangebot für chronisch kranke Kinder in den Bezirken an (siehe Text unten).

Offiziell gilt weiter die Empfehlung der Senatsgesundheitsverwaltung, nach der zurzeit noch vorrangig chronisch Kranke sowie Berliner in sogenannten Schlüsselpositionen wie Ärzte, Pfleger oder Polizeibeamte geimpft werden sollen. So lief bei der Polizei am Dienstag eine große Impfaktion an. Grund für diese Richtlinie ist die begrenzte Menge des für Berlin bestellten Impfstoffes, der erst komplett bis zum Frühjahr 2010 geliefert werden soll und nach Schätzungen von Experten nur für die Hälfte der Bevölkerung reicht. Tatsächlich immunisieren aber etliche Praxen und sogar einige Gesundheitsämter auch gesunde Patienten, falls sie dafür noch Kapazitäten frei haben. Tagesspiegel-Redakteure konnten gestern bei mehreren Ärzten Termine für eine Impfung vereinbaren, ohne dass sie gefragt wurden, ob sie zu einer Gruppe gehören, die vorrangig immunisiert werden soll. Die Gesundheitsverwaltung erklärte dazu, man habe nichts gegen die Impfung von Gesunden einzuwenden. Das sei aber nicht vordringlich. „Unsere Empfehlung gilt deshalb weiter.“

Nach der neuesten Berliner Statistik sind Kinder und Jugendliche besonders ansteckungsgefährdet. So war bislang fast jeder Zweite der gemäß Statistik insgesamt an Schweinegrippe erkrankten 2439 Berliner unter 16 Jahre alt. Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein, da längst nicht mehr jeder Verdachtsfall getestet und so registriert wird. Die besondere Häufigkeit bei Heranwachsenden würde für eine bevorzugte Immunisierung sprechen. Andererseits löst die H1N1-Infektion bei jungen Menschen meist schwächere Symptome aus als bei Erwachsenen. Auch hier ist sich die Ärzteschaft deshalb uneins.

Die Entscheidung, ob sich eine schwangere Frau impfen lassen soll, muss aus Sicht der Gesundheitsverwaltung weiterhin jeder Arzt „im Einzelfall abwägen“. Grundsätzlich sei der derzeit verfügbare Impfstoff Pandemrix auch für Schwangere zugelassen, andererseits müsse man die Sorge vor Nebenwirkungen in diesem Fall besonders ernst nehmen. Einen weniger bedenklichen Impfstoff für Schwangere ohne die umstrittenen Wirkungsverstärker hat das Bundesgesundheitsministerium schon für alle Bundesländer bestellt. Im bundesweit für die Zulassung von Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Institut rechnet man damit, dass das Serum für Schwangere ab Ende November verfügbar sein wird.

Zur Weigerung von Medizinern, Angehörige von Schwangeren oder Neugeborenen zu impfen, erklärte der Leiter des Kinder- und Jugendmedizinischen Dienstes in Mitte, Matthias Brockstedt, dies widerspreche den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden. Darin sei klar festgelegt, „dass im Haushalt Kontaktpersonen von Risikogruppen geimpft werden sollen“.

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