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Berlin: Schweiz: Hörnlis, rot-weiß

"Hm", macht Michael Dombrowsky, schluckt und wischt sich über den Mund. "Nicht schlecht.

"Hm", macht Michael Dombrowsky, schluckt und wischt sich über den Mund. "Nicht schlecht. Schmeckt nach Käse." Der Reinickendorfer hat frei und ist extra wegen der Hörnli-Verfütterung zum Haus der Schweiz gekommen. Erfahrung mit Käse hat Dombrowsky - während einer Bodensee-Rundreise vor zehn Jahren besuchte er die Appenzeller-Käsefabrik. Und die Schweiz mag der Feinschmecker auch: "Dort ist alles so schön sauber."

Über den kleinen Platz Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße winden sich Menschen in Schlangen, die entweder die berühmten Hörnlis mit Apfelmus oder ein Gläschen Müller-Thurgau kosten wollen. Sogar an Schokolade wurde nicht gespart - ganze Tafeln gibt es als Zugabe zum Schweiz-Prospekt. Eine Jazz-Band spielt, die Leute, die nicht ein Papptellerchen und ein Glas Wein vor sich herbalancieren, warten geduldig - meist zum zweiten oder dritten Mal.

An der Straße stehen große Werbeplakate mit einem einsamen Paddler auf dem Bodensee drauf, und darunter ist "Rushhour" zu lesen - die Berliner sollen mit eidgnössischer Gemütlichkeit in den Kanton gelotst werden. Es lockt eine große Tombola. Zu gewinnen gibt es eine Kiste Apfelsaft, eine Kiste Weißwein und als besondere Preise den Eintritt zu der großen Schweiz-Gala am Abend in der Neuen Nationalgalerie sowie eine Reise zum Bodensee.

Gegen ein Uhr ist es dann endlich so weit. Ein Raunen geht durch die Menge, als das Botschafterpaar Shawne Borer-Fielding und Thomas Borer den Platz betritt. Shawne eilt sofort an der Schlange vorbei zum Hörnli-Stand und ermuntert den Hörnli-Verteiler, ihr eine ordentliche Portion der Schweizer Spezialität auf dem Pappteller anzurichten. Kameras drängen sich um die Texanerin. Auf dem Kopf hat sie einen riesigen roten Hut, der das ihr auf den Leib geschneiderte Kleid mir kleinen Nationalflaggen an den Trägern beschattet. Shawne strahlt wie die Sonne vom Himmel, die Lippen rot, die ebenmäßigen Zähne weiß. "I love it", sagt sie und nimmt einen Bissen.

Maja und Ernst Nickler aus Basel strahlen auch. Sie verbringen ihre Ferien in Berlin und sind einigermaßen überrascht über das innerstädtische Hörnli-Aufgebot. "Die Borers machen ihre Sache sehr gut", findet Ernst Nickler. "Sie sind ein richtiges Glamour-Paar", ergänzt Maja Nickler und lässt noch einige Hörnlis in ihrem Mund verschwinden. "Bei uns gibt es alle zwei Wochen Hörnlis." Maja Nickler empfiehlt weiter: Käse-Fondue, Raclette, Rösti, Geschnetzeltes. Und die Basler Altstadt.

Michael Dombrowsky hat nach zwei Hörnli-Portionen genug. Liegt so viel Käse am Mittag nicht ermüdend schwer im Magen? "Bei mir nicht", sagt er und grinst. "Ich vertrage einiges. Das tun bestimmt auch die 1400 Gäste in der Neuen Nationalgalerie. Doch bevor das Buffett eröffnet wird, das nicht nur Hörnlis, sondern die gesamte Anzahl Thurgauer Spezialitäten repräsentiert, lauscht die Partymenge erstmal den Worten vom Komiker Marco Rima und denen vom Botschafter höchstselbst. Selbstironisch und witzig ist die kleine Ansprache von Thomas Borer, wie gewöhnlich. Herrlich unbürokratisch seien die Behörden dieser Stadt (ironiefrei), heute sei Berlin eine Schweizer Stadt, der Schweizer an sich sei kein Stück verbohrt, sondern weltoffen und so weiter.

Der Regierende hat den Weg in die Neue Nationalgalerie gefunden, ebenso Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, alle sind da - aus Sympathie für die Schweiz, aus Neugier und weil man sich hier zeigen muss. Als die Sonne untergeht, singt ein Kinderchor sehnsuchtsvoll-kreischig vom Alpenglü-hü-hen, die ersten Hungrigen stehen am Ochsen an, die Absätze der Damen beginnen zu scharren. Die lange Glamour-Nacht der Schweiz hat gerade erst begonnen.

Esther Kogelboom

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