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Berlin: Schwelgen im Superlativ

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Präpositionen bestimmen den Kasus von Substantiven, mit denen sie stehen. Doch mit Verhältniswörtern wird Schindluder getrieben. Häufig werden sie mit dem falschen Fall benutzt. Man traut seinen Ohren nicht, wenn man hört, dass Kommunalpolitiker „entsprechend ihres politischen Gewichts“ in verschiedenen Gremien bei RWE saßen. Wenn schon, dann nicht mit dem falschen Genitiv, sondern mit dem Dativ: entsprechend oder gemäß ihrem politischen Gewicht.

Auch werden Präpositionen bedenkenlos missbraucht. „Das ist mit die explosivste Zahl“, hörte ich einen Verbandsvertreter der Bauwirtschaft im Rundfunk sagen; er klagte über die Lage der Branche. „Mit am eindrucksvollsten sind die auf den Aufnahmen deutlich erkennbaren Flussläufe“, las ich in der Zeitung über die spektakulären Bilder, die vom Saturnmond Titan zur Erde gefunkt wurden. Was heißt mit am eindrucksvollsten, mit am explosivsten? Man schwelgt im Superlativ, nimmt ihn aber sogleich wieder zurück. Sind die Flussläufe nun am eindrucksvollsten oder gehören sie zum Eindrucksvollsten?

Man kennt das ja auch von Jubiläumsreden und Nachrufen auf bedeutende Persönlichkeiten. Er war mit der berühmteste Schauspieler, Philosoph, Schriftsteller, Politiker, Sportler und so weiter. Es war mit seine größte Tat. Du liebe Güte, ist es nicht eine zweifelhafte Ehrung, ihnen das höchste Lob auszusprechen, um es vorsichtshalber gleich wieder zu relativieren? Die Mit-Sager sollten sich nicht übernehmen, die Wo-Sager übrigens auch nicht. Sie war in eine Situation geraten, wo sie nicht mehr ein noch aus wusste. Eine Situation ist doch kein Ort. Folglich war die Ärmste in eine Situation geraten, in der sie nicht mehr ein noch aus wusste.

Mit Hartz IV steigt die Arbeitslosigkeit? Nein, durch Hartz IV, weil bisherige Sozialhilfeempfänger in der Arbeitslosenstatistik geführt werden. Mit dem Schnee steigt die Zahl der Verkehrsunfälle? Irrtum, wegen oder infolge des Schnees. Die Verkehrsunfälle fallen ja nicht mit dem Schnee vom Himmel.

Wir hören und lesen auch ständig, dass sich Politiker etwas zum Ziel gesetzt haben. Natürlich haben Politiker Ziele. Wir erwarten, dass sie zu ihren Zielen stehen, aber gewiss nicht, dass sie sich zu ihren Zielen setzen, sozusagen neben sie. Die FDP hat neulich im Abgeordnetenhaus einen Gesetzentwurf eingebracht, „der zum Ziel hat…“, wie eine Abgeordnete sagte. Schon gut, sie meinte das Ziel, das heißt, das Ziel ihrer Fraktion. Der Gesetzentwurf hat kein Ziel, sondern die Liberalen verfolgen damit ein Ziel. Kein Gesetz kann handeln. Das tun die Politiker, hoffentlich nach Recht und Gesetz. Aber welchem Ziel soll es dienen, wenn sie sich gedankenlos etwas zum Ziel setzen?

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