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Berlin: Schwierige Rolle

Bald ist Nadja Uhl in „Die Zwillinge“ zu sehen

Drunten auf dem Ku’damm dröhnt laute Musik, und Nadja Uhl schließt die Balkontür vom Kempinski. „Was ist denn da unten los?“, fragt sie; ansehen konnte sie das Straßenfest-Spektakel noch nicht, keine Zeit, wenn die PR-Leute einen dieser knallharten Interviewpläne organisieren. Schmal, blond, aufgekratzt sitzt sie im Sessel, beantwortet Fragen um Fragen zu einem Film, der so gar nicht zur brachialen Partystimmung auf der Straße vor dem Hotel passt. Ben Sombogaarts „Zwillinge“, ein anrührendes Meisterwerk mit Nadja Uhl, der 32-jährigen Potsdamerin, in einer der Hauptrollen, hat es schon bis zur Oscar-Nominierung gebracht und war im vergangenen Jahr der erfolgreichste holländische Film. In deutschen Kinos wird er im Oktober gezeigt.

Nadja Uhl spielte mit, weil sie – von ihren schauspielerischen Qualitäten abgesehen – eine Deutsche ist. Der Film erzählt von zwei deutschen Zwillingsschwestern, die nach dem Tod der Eltern 1926 auseinander gerissen werden. Anna gerät auf den Bauernhof ihres brutalen Onkels, der sie misshandelt. Lotte wird von einer großbürgerlichen holländischen Familie aufgenommen und lebt im Luxus. Aus dieser zufälligen Entwicklung entfaltet der Film seine leise Dynamik: Anna – in dieser mittleren Phase verkörpert von Nadja Uhl – schlägt sich als Hausmädchen durch, heiratet einen Soldaten, der zur SS geht und kurz vor Kriegsende von einer Granate getötet wird. Lotte verliert ihren Mann, einen jüdischen Musiker, in Auschwitz. Beide Frauen begegnen sich nach Kriegsende wieder und Lotte bricht, erbittert über die „SS-Hure“, den Kontakt ab. 50 Jahre später treffen sie sich in einem Kurhotel wieder, Anna versucht die Aussöhnung… Die beiden alten Schwestern werden von Gudrun Okras (Anna) und Ellen Vogel (Lotte) gespielt.

Die Stärke des Films liegt darin, dass er nirgends in Klischees flüchtet, sondern die Verstrickung der beiden Frauen glaubhaft, ja zwangsläufig erscheinen lässt. Der dumpfe Eifelbauer (Ingo Naujoks) ist ein katholisch geprägter Nazifeind, der spätere SS-Mann (Roman Knizka) ein sympathischer Getriebener, Barbara Auer spielt eine exaltierte Gräfin, die von Wehrmachtsoffizieren umschwärmt wird und Anna erstmals wirkliche Anerkennung gibt. Die Katastrophen werden nicht in drastischen Bildern sichtbar, sondern spiegeln sich beiläufig in den Handlungen und Reaktionen der Personen.

In Anna, der zähen Kämpferin, die jede ihrer wenigen Lebenschancen wahrnimmt, kann Nadja Uhl sich wieder erkennen. „Das Drehbuch hat mich sofort begeistert“, sagt sie, „es geht sehr differenziert mit den Personen um.“ Anna sei in gewisser Weise wie sie: ähnlich bodenständig und kämpferisch. Lotte, die emotionsgesteuerte höhere Tochter, hätte ihr längst nicht so gut gelegen. Überhaupt fühlte sie sich an ihre eigene Familienbiographie erinnert, bis hin in ein Detail: Zwei ihrer Tanten sind ebenfalls Zwillinge, „und ich weiß, dass es da diese geistige Verbindung gibt wie im Film“. Die Verbindung zum Thema ist für sie selbstverständlich: „Ich sehe alles im Fernsehen, was sich mit dieser Zeit beschäftigt, Dokumentationen, Spielfilme.“

Für Nadja Uhl ist der Film dennoch Vergangenheit. Derzeit dreht sie gleich zwei neue Filme, kämpft für RTL gegen die Hamburger Sturmflut von 1962 und spielt im neuen Kinofilm von Andreas Dresen. „So ist der Beruf“, sagt sie, „erst ist lange Ruhe, und dann kommt alles auf einmal.“

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