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Berlin: Schwingend durch den Großstadtdschungel

„Le Parkour“ heißt ein neuer Trend aus Frankreich: Durch Springen und Klettern bewegen sich die Anhänger durch die Stadt

Hände klatschen auf Stein, das Polyester der Trainingshose raschelt. Es ist nur ein kurzer Augenblick und schon hat sich Ulrik Bruchholz elegant auf eine fast mannshohe Mauer geschwungen. „Wie sportlich!“ Die Frau auf dem Fahrrad nickt anerkennend, als sie an dem 26-Jährigen vorbeifährt. „Solche Kommentare gehören dazu“, sagt der junge Mann lächelnd und gleitet gekonnt wieder herunter. Wenn er auf den Berliner Straßen seinen Sport ausübt, schauen die Leute eben etwas verdutzt.

Sein Sport, das ist das Springen von einer Mauer zur nächsten, das Schwingen von Stange zu Stange oder das Balancieren über Hindernisse mitten in der Stadt. „Le Parkour“ nennt sich der Trend aus Frankreich, „Traceure“ nennen sich seine Anhänger. Viele haben mit Kampfsport angefangen, so auch Bruchholz. Als Kind hat er Jackie Chan bewundert, dessen Bewegungen er nun kopiert. Der Reiz sei, „sich von nichts abhalten zu lassen“. Innerhalb der Grenzen, die durch die eigenen Fähigkeiten und die Fantasie festgelegt werden, ist alles möglich, „solange sie mit keinen Gesetzen in Konflikt kommen“, warnt Benedikt Scherlebeck von der Pressestelle der Berliner Polizei.

Die wahren Könner kommen aus Lisses, einem trostlosen Banlieue am Rand von Paris, in dem mit David Belle alles angefangen hat. Nach seiner Philosophie soll Parkour im Großstadtdschungel eine effektive Fortbewegungsart sein – und sieht außerdem noch spektakulär aus. „Wenn man ein bestimmtes Level hat, ist es sehr beeindruckend“, meint Bruchholz. Besonders für die Medien, die schnell darauf angesprungen sind: So zeigt Madonna im Video zu ihrem Song „Hung up“ die Kletterkünste von Traceur Sebastien Foucan, und der neue James Bond, Daniel Craig, hat sich in den Bewegungen unterrichten lassen.

Noch ist der Trend ein zartes Pflänzlein, das aber gut gedeiht: „Das ist definitiv so, das merke ich an den gehäuften Anfragen“, bestätigt Marcus Hess, der die offizielle Seite des deutschen Parkour-Verbandes, www.pawa.de, betreut. Etwa 400 Traceure springen durch deutsche Städte. In Berlin sind es aber gerade einmal um die 30 Aktive, vermutet Bruchholz. Hess ermutigt dazu, die Sportart auszuprobieren: „Das kann jeder machen, der Spaß an Bewegung hat.“ Trainingsmöglichkeiten gibt es in Berlin genug. „Jeder Kinderspielplatz ist geeignet, solange keine Kinder dort spielen“, sagt Bruchholz. Ansonsten könne er die Treppen vor dem Velodrom empfehlen. Gleich von Haus zu Haus zu hüpfen ist definitiv keine gute Idee: „Das ist der größte Fehler: Sich die spektakulären Videos ansehen und dann in vier Metern Höhe herumzuturnen“, warnt er.

Er trainiert bereits seit drei Jahren, aber diese Höhen meidet er. An der Behmstraßenbrücke muss er nicht so hoch hinaus. Während im Hintergrund die S-Bahnen im Minutentakt über die Gleise fahren, hockt Bruchholz auf einem Geländer und konzentriert sich auf den nächsten Mauervorsprung. Er ist zwar nicht sehr hoch, doch trotzdem eine Herausforderung, denn ein Abrutschen kann auch hier sehr schmerzhaft sein.

Anfänger werden schnell feststellen, dass Parkour oft kleinteilige Arbeit ist und weniger spektakuläres Kunstturnen. Immer wieder gilt es, den gleichen Bewegungsablauf zu trainieren, bis ein Hindernis flüssig überquert werden kann. „Die in Lisses können stundenlang über Stangen balancieren oder hängen fünf Minuten an einem Ast“, berichtet Bruchholz erstaunt. Er hat es selbst gesehen, vor zwei Wochen war er dort.

David Belle, der mit seinen 32 Jahren noch immer als bester Traceur gilt, hat er dort auch getroffen. Am 6. Mai hat er dazu wieder die Möglichkeit. Dann ist Belle zu Gast in Berlin und mit ihm einige der besten Traceure der Welt. In Workshops vermitteln sie Tipps und Tricks. Wer so vorbereitet ist, dem wird in Zukunft kein Bus mehr vor der Nase wegfahren: einfach über die nächste Mauer abkürzen.

Geschichte: David Belle hatte die Bewegungen von seinem Vater in den französischen Wäldern beigebracht bekommen und Mitte der 80er Jahre auf die Stadt übertragen. 2001 kam der Sport zu uns.

Worum geht es? : Um eine effektive Fortbewegung. Es gibt keine Meisterschaften. „Der Wettkampf ist eher der mit sich selbst“, sagt Marcus Hess vom Parkour Verband Deutschland.

Der Termin: Am 6. Mai treffen sich in Berlin die besten Traceure und geben Workshops. Zur Show im Postbahnhof werden nur 500 Gäste zugelassen. Anmeldung und Informationen unter www.parkourwm.de. mj

Matthias Jekosch

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