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Die großen Tasten in den Fahrstühlen der S-Bahn lassen sich für Blinde einfach finden und bedienen.

© Kai-Uwe Heinrich

Sehbehindert in Berlin: "Kannste nicht kieken?" - wie Blinde durch die Stadt kommen

Manfred Scharbach ist seit seiner Geburt blind und erklärt, wie die Sehbehinderung ihn im Alltag beeinträchtigt - und wie man ihm helfen kann.

Herr Scharbach, in einer Mail an den „Checkpoint“ schildern Sie, wie ein blinder Fahrgast noch die Tür der S-Bahn sucht, während der Fahrer die Türen schließt und abfährt. Wie oft verpasst man als Blinder wegen so etwas seine Bahn?

Immer mal wieder – und es ist völlig überflüssig. Ich als Blinder laufe ja mit weißem Stock und bin entsprechend gut erkennbar. Aber wer nur sehbehindert ist und den Stock nicht nutzen darf, wird oft angeraunzt nach dem Motto: „Kannste nicht kieken?“ Das ist besonders schlimm für Leute, die allmählich erblinden.

Wie bewegt man sich eigentlich am angenehmsten durch Berlin, wenn weder Auto noch Fahrrad infrage kommen?

Wenn möglich, mit dem Taxi. Sonst gilt: möglichst wenig laufen, weil man keinen Schritt unkonzentriert tun kann. Sie müssen immer genau wissen, wo Sie sind und ob der Weg frei ist. Erwachsene weichen meist aus. Gefährlicher wird es bei Kindern und Radfahrern auf dem Gehweg.

Manfred Scharbach ist Geschäftsführer des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin (ABSV).
Manfred Scharbach ist Geschäftsführer des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin (ABSV).

© ABSV/P. Rändel

Woran hapert es noch?

Die UN-Konvention verlangt barrierefreien Nahverkehr. Dazu gehört das Zweisinneprinzip, also Hören und Sehen. Das würde auch Touristen und funktionalen Analphabeten helfen, die eine Ansage viel schneller erfassen als eine Anzeige.

Die BVG spart mit ihren Ansagen, um Fahrgäste und Anwohner nicht zu nerven.

Wir wollen, dass Busse und Straßenbahnen an jeder Haltestelle Linie und Fahrziel ansagen. Das reicht auch leise. Ich will nur nicht auf eine App angewiesen sein, die vielleicht irgendwann mal kommt – zumal ich wegen des Stocks ohnehin immer nur eine Hand frei habe.

Wie geht man als Blinder eigentlich über eine Kreuzung?

Im besten Fall gibt es eine Ampel mit akustischem Signal, also Ticken zum Auffinden und Piepen bei Grün. Darauf muss ich mich verlassen. Ohne das Signal muss ich mich am anfahrenden Verkehr neben mir orientieren. Je komplexer die Kreuzung, desto schwieriger ist das. Und bei Nässe sind die Geräusche ganz anders.

Und wie kann man als sehender Passant einem Blinden am besten helfen?

Bieten Sie ihm Hilfe an: Sagen Sie ihm beispielsweise, wie viele Schritte es noch zur Zugtür sind oder ob die Straße frei ist und bieten Sie ihm an, Ihren Ellbogen anzufassen und Ihnen so zu folgen. Die meisten werden es dankbar annehmen.

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