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Berlin: Sehen, was keine Kamera ablichten kann

Zwei Bilder in der katholischen Kirche St. Canisius zeigen, was wir von Ostern mitnehmen können in die Welt

In der Kirche St. Canisius haben wir zwei österliche Bilder. Ein Gemälde aus dem 16. Jahrhundert, das vom Grab am Ostermorgen erzählt, und ein Bild aus dem Jahr 2003, das abstrakt, bildlos ein goldenes Feld zeigt. Beide Bilder ergänzen sich.

Ich habe mich immer gefragt, was hätte von den Erscheinungen des auferstandenen Jesus Christus dokumentiert werden können, wenn es damals Kameras gegeben hätte. Auf Fotos hätte man den Auferstandenen nicht aufnehmen können. Was auf dem historischen Gemälde zu sehen ist, stammt aus Erzählungen der Evangelien. Franz Werfel erzählt sehr anschaulich im Buch „Das Lied der Bernadette“ eine vergleichbare Vision. Die junge Bernadette Soubirous sieht an einer Felsgrotte in Lourdes eine Dame. Nur ihr zeigt sich diese Dame. Das verändert ihr Leben. Andere Menschen, gläubige und ablehnende, sehen nur, wie Bernadette sich während der Erscheinung verändert. Ihr Mund bewegt sich, weil sie mit der Vision spricht. Danach erzählt Bernadette von den Worten und Weisungen der Dame.

Genau so erzählen die Zeugen des Auferstandenen. „Er ist dem Petrus erschienen“, also Petrus hat Jesus gesehen. Allerdings besteht zur Vision der Bernadette ein wesentlicher Unterschied: Die ersten Christen erkennen Jesus von Nazareth wieder, den sie in Galiläa begleitet haben, mit dem sie in Jerusalem zusammen gewesen sind und den einige – wie die Frauen – am Kreuz haben sterben sehen. Jesus erscheint ihnen zwar in ihrem normalen Leben, aber überraschend, wenn er es will. Ja, er entzieht sich sogar den Zeugen. „Halte mich nicht fest“, bittet der Auferstandene Maria von Magdala am Grab. Petrus, Maria von Magdala oder Paulus berichten: „Wir haben den Herrn gesehen! Er lebt!“ Sie haben erfahren, dass Jesus von Gott lebendig gemacht wurde. Er gibt ihnen den Auftrag, sein Wirken bekannt zu machen und fortzusetzen.

So hat sich bei den Frauen und Männern, denen Jesus nach Ostern erschienen ist, die Welt grundlegend verändert. Eine neue Ausstrahlung, ein Leuchten erlebten sie. Teilhard de Chardin findet dafür Worte in einem Gebet: „Mein Gott, lass mir im Leben des anderen dein Antlitz leuchten. Das unwiderstehliche Licht deiner Augen, das auf den Grund der Dinge strahlt, hat mich schon zu jedem Werk begleitet, das ich vollbringen, und zu jedem Schmerz, den ich ertragen musste. Gib, dass ich dich auch und vor allem im Innersten der Seele meiner Schwestern und Brüder erkenne.“

An diese Veränderung, dieses Leuchten erinnert das andere österliche Bild in St. Canisius, das „Golden Field“ von Winfried Muthesius. Der Goldgrund verweist auf den Raum Gottes. Die Zeugen der Auferstehung erfahren, dass Jesus nicht im Tod verblieben ist, sondern im Raum Gottes lebendig ist und wirkt. Das verändert sie, sie finden Mut, sehen ihre Zukunft, ihre Aufgabe ganz neu. Jesus hat sie persönlich angesprochen. Maria von Magdala erkennt den lebenden Christus, als er sie persönlich bei ihrem Namen nennt.

Wenn wir diesen ersten Christen vertrauen und damit ihren Glauben an den Leben spendenden Gott – den Vater, den Sohn und den Geist – annehmen, dann verändert sich auch für uns die Welt. Dann können wir denken und beten, wie es der Gründer von Taizé, Frère Roger, vorschlägt: „Macht euch auf den Weg! Nehmt zum Leben mit: Hoffnung, Glaube, Zuversicht. Haltet fest daran, und gebt davon ab, so wird die Erde neu. Macht euch auf den Weg! Nehmt Jesus mit: Liebe, Güte, Barmherzigkeit.“

Albert Giesener ist Gemeindepfarrer in St. Canisius in Charlottenburg, Witzlebenstraße 30.

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