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Berlin: Seien wir doch froh! AUF DEUTSCH GESAGT

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Wenn Politiker reden, dann wollen sie für ihre Anliegen werben. In der Regel. Manchmal aber drücken sie sich um klare Worte, weil es den Wähler verprellen könnte. Wie Politiker sprechen, und was sie wirklich meinen – künftig alle zwei Wochen von Brigitte Grunert.

Senator Strieder verteidigte sich vor dem Parlament gegen Kritik. „Sind wir doch mal froh!“, rief er aus. Peter Strieder wollte gewiss nicht befehlen: Ihr habt gefälligst froh zu sein, ich bin es auch, keine Widerrede. Aber so anmaßend klingt der falsche Imperativ. Sprachlich korrekt ist der werbende Appell: Seien wir doch froh! Immerzu stolpert das Sein über das höfliche Sie. Sind Sie mal so nett. Ohne Sie ist der Schnitzer gar nicht möglich. Froh bist du, froh seid ihr: Das ist kein Imperativ, sondern eine Feststellung.

Wir brauchen also die Befehlsform, denn sie dient wie jede GrammatikRegel der sprachlichen Klarheit. Komm herein. Seid willkommen. Habt keine Angst. Nehmen Sie Platz. Wer ganz besonders höflich sein will, kleidet Wünsche in etwas gezierte Floskeln. Könnten Sie mir einen Gefallen tun? Würden Sie so freundlich sein? Dürfte ich Sie etwas fragen? Der Bittende will nicht fordernd wirken.

Damit sind wir beim Konjunktiv, der so oft falsch benutzt wird. „Ich wäre ja verrückt, wenn ich für drei Stunden nachmittags 300 Euro zahle“, wurde eine über die Erhöhung der Kita-Gebühren erzürnte Mutter zitiert. Was denn nun? Entweder ist sie verrückt, wenn sie zahlt, oder sie wäre verrückt, wenn sie zahlte. Auf den kleinen Buchstaben t kommt es zum Verständnis an. Wissen wir, ob der Kanzler zufrieden ist? Wir können ihn nur direkt zitieren oder indirekt im Konjunktiv I. „Ich bin zufrieden“, sagte der Kanzler. Oder: Der Kanzler sagte, er sei zufrieden. Leider werden der Konjunktiv I und II oft verwechselt. Der Kanzler sagte, er wäre zufrieden. Das ist falsch wiedergegeben, sofern er seine Zufriedenheit bekundet hat. Falls er gesagt hat: „Ich wäre zufrieden.“, ist er es nicht. Er wäre zufrieden, wenn er keinen Ärger hätte.

Wäre und würde haben es in sich. Korrekt drückt man damit Irreales oder Zukünftiges aus. Sie sagte, sie freue sich auf meinen Besuch; dann sind wir verabredet. Sie sagte, sie würde sich über meinen Besuch freuen; dann habe ich noch nicht zugesagt. Die Würde-Form ist allerdings auch angebracht, wenn man anders die Realität nicht von der Möglichkeit unterscheiden kann. Die Gespräche verliefen gut, sagte der Kanzler. Ist kann ein korrekter Konjunktiv oder ein falscher Indikativ sein. Sind die Gespräche nicht abgeschlossen, muss es heißen: Der Kanzler sagte, die Gespräche würden gut verlaufen. Die Würde-Form ist auch bei Verben erlaubt, die im Konjunktiv nicht mehr zeitgemäß klingen. Sie tat, als würde sie ihn nicht kennen (als kennte sie ihn nicht). Ich würde ihm helfen (ich hülfe ihm), wenn ich könnte. Geboten ist der Konjunktiv I immer, wenn ein Fragewort oder dass fehlt. Er sagte, er habe Zeit. Aber oft genügt der Indikativ. Er sagte, dass er Zeit hat. Ich fragte, wohin die Reise geht.

„Wenn Berlins Finanzprobleme nicht gelöst würden, hätten wir ein eminent schwieriges Vermittlungsproblem für die Länderfusion“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck im Tagesspiegel-Interview. Da hat er eine Bedingung in der Möglichkeitsform versteckt, also relativiert. Ist er sich seiner Linie sicher? Dann hätte er – ein Mann, ein Wort – Klartext reden können, im Indikativ: Ehe die Finanzprobleme Berlins nicht gelöst sind, ist mir eine zweite Volksabstimmung zu riskant, denn dann werden die Bürger die Fusion wieder ablehnen.

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