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Weltstar in Weißensee. Bruce Springsteens Auftritt 1988 in Ost-Berlin war das größte Konzert seiner Karriere.

© picture-alliance / dpa

Sein größtes Konzert: Boss Ost

Bruce Springsteen erzählt in seiner Autobiografie auch von seinen Besuchen in Ost-Berlin 1981 und 1988.

Springsteen? Bruce Springsteen? Na wenn schon. Auf Prominentenstatus konnte der Boss nicht zählen, als er im April 1981 samt seinem Gitarristen Steven Van Zandt über den Checkpoint Charlie in Ost-Berlin einreiste. Bei Martin Luther King hatten die Grenzer 1964 nachsichtig sogar eine Kreditkarte als Ausweis akzeptiert, diesmal konfiszierten sie „sämtliche Zeitungen, Magazine und jeden Schnipsel bedruckten Papiers, die wir bei uns trugen“. Es war eben „eine andere Gesellschaft“, die die beiden Rockmusiker an diesem Tag besuchten. „Man konnte regelrecht die Knute spüren, den lähmenden Stillstand und die ganz reale Erfahrung von Unterdrückung“, wie Springsteen sich an den Kurzbesuch hinter der Mauer erinnert.

Man kann dies nachlesen. Erst vor wenigen Tagen ist Springsteens Autobiografie „Born to Run“ erschienen. Darin nehmen seine Berlin-Erfahrungen nur wenig Raum ein, sind zwar kurze, aus Sicht von Ost- wie West-Berlinern, die die achtziger Jahre noch miterlebt haben, aber spannende Episoden. Wobei der erste Besuch „Little Steven“ sogar nachhaltig politisierte. Besonders die „Gewalt dieser Mauer“ hat die beiden Amerikaner offenbar tief erschüttert, „ihre grausame, hässliche Realität konnte man gar nicht gefährlich genug einschätzen“, wie Springsteen schreibt. Für ihn war sie „ein Schlag ins Gesicht der Menschlichkeit“, die „etwas regelrecht Pornografisches“ hatte. Die Band sei geradezu verstört gewesen und froh, als es in die nächste Stadt ging. Den Auftritt in West-Berlin hat dies aber nicht beeinträchtigt: Vier Stunden lang im ICC, und das Publikum tobte.

Aber was war das schon gegen das orgiastische Rockfest von Springsteen und der E-Street-Band auf der Radrennbahn Weißensee am 19. Juli 1988 – vor mehr als 160 000 Ostdeutschen, wie er sich erinnert. Wobei das nur die offizielle Zahl der verkauften Eintrittskarten war, die wahre Zahl lag um einiges höher. Doch wie auch immer: „Vor mir auf einem offenen Feld stand die größte Menschenmenge, die ich je gesehen und für die ich je gespielt habe.“

Auf den Tickets habe gestanden, dass die Band von der FDJ eingeladen worden sei, um ein „Konzert für Nicaragua“ zu geben: „Das war mir neu!“ Und die zweite Überraschung für den Boss: Das Konzert wurde in voller Länge im DDR-Fernsehen übertragen – „mit Ausnahme meiner kurzen Rede über die Mauer, die man kurzerhand rausschnitt“. Ein hilfloser Versuch, aufzuhalten, was nicht mehr aufzuhalten war. Auch Bruce Springsteen war klar: „Die Mauer stand noch, aber in ihrer undurchdringlichen Fassade zeigten sich bereits die ersten Risse.“

Über Nacht war er nun auch in Ost-Berlin zu einem „nationalen Superstar“ geworden, der am Tag nach dem Auftritt auf der Straße sofort umlagert war „von einer Ansammlung aus Schülern, alten Mütterchen und sämtlichen Altersstufen dazwischen, die sich um Autogramme balgten. ,Ich bin ein Berliner!’“

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