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So wird’s gemacht. Kreativberater Arne Koefoed und eine Mitarbeiterin beim Messeaufbau. An der Decke hängen 1000 in Tauchbädern weißblau gefärbte Shirts.

© DAVIDS/Dominique Ecken

Berlin: Sein Tempel der blauen Hosen

„Denim ist die demokratischste Bewegung“, findet der Chef der Modemesse Bread & Butter Karl-Heinz Müller inszeniert Jeans in seiner Schau in Tempelhof als den großen Gleichmacher der Mode.

Das „H“ muss weg, keine Frage. Es steht zwar unter Denkmalschutz, aber eine schwarze Abdeckung wird es für drei Tage verschwinden lassen. Von seinem Felsen aus deutet der Chef der Bread & Butter, Karl-Heinz Müller, auf den Schriftzug am Flughafengebäude. Aus „Berlin-Tempelhof“ wird vom 4. bis 6. Juli das deutsch-amerikanische Wortspiel „Berlin-Tempel of Denim“. Am Fels wird noch gearbeitet, aber die Jeans-Stoff-Fransen am Tempel hängen schon, als der holländische Kreativberater Arne Koefoed mit Karl-Heinz Müller am Sonntagmittag einen Rundgang macht. Ihnen ging es darum, eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte der Denim-Bewegung, die in den 50er Jahren entstand und inzwischen weltweit Menschen aller Nationalitäten, Schichten und Geschlechter vereinigt. „Denim ist die demokratischste Bewegung“, sagt Müller. Für Koefoed ist sie aber ausdrücklich nicht politisch, sondern eher musikalisch inspiriert, vom Rock’n Roll, von den Hippies.

Der Tempel ist eigentlich ein Zelt mit vielen Fenstern, dessen Architektur keiner geringeren als der Neuen Nationalgalerie nachempfunden ist, einschließlich der angedeuteten Stufen. Das eigentliche Dach ist weiß, nicht Indigoblau wie auf einem Modellbild in der offiziellen Broschüre. Aber das sieht man nicht, weil ringsum eben diese Tausende Fransen in sechs verschiedenen Farben Blau hängen, hergestellt aus vier Kilometer Denim-Stoff der türkischen Marke Orta. Man nähert sich dem Tempel, in dem man durch einen kleinen Garten teils uralter Bonsai-Bäume geht. Im Eingangsbereich kann man alte hölzerne Gebetsmühlen berühren, die ebenfalls mit Jeans-Stoff bezogen sind. Denim sei nun mal ein Lebensstil, der Kulturkreise vereint. Deswegen nimmt Koefoed im Tempel auch Motive verschiedener Religionen auf, ein Ritual der Amish kommt ebenso vor wie eine Voodoo-Zeremonie und eine katholische Prozession. „Wir wollen die guten Sachen, die von Religionen ausgehen, aufnehmen, Freiheit und Einheit zum Beispiel, und damit zeigen, wie viel Spaß und Kreativität in dieser Mode steckt.“ Eine 75 Meter lange Tafel, gezimmert aus groben Holzbalken, wie sie auch zum Bau von Häusern verwendet werden, ist der Mittelpunkt des Zeltes, mal wird sie für die Catwalk-Show „Denim Religion“ verwendet, mal tatsächlich als Tafel zum Speisen und zum Trinken und dann auch mal wieder zum kreativen Beine-baumeln-Lassen. Von der Decke herab hängen 1000 weißblaue T-Shirts, die in Tauchbädern gefärbt wurden und Beständigkeit vermitteln sollen. Im Kontrast zu den Jeans-Fransen, die draußen im Wind wehen und jeden Morgen neu entwirrt werden müssen.

„Da könnten noch ein paar von den Kritzel-Logos ran“, deutet Karl-Heinz Müller auf einen blauen Balken. Überall wuseln kräftig gebaute Arbeiter im Blaumann rum. „Ich liebe den Moment, wenn sie abgelöst werden von den Fashion-Mädchen“, sagt Koefoed. Noch liegen freilich nicht mal alle Grasmatten auf dem imitierten Fels.. Das Leitmotiv „The Rock“ hat Müller entdeckt, als er ein Bild des Fotokünstlers Ronin sah, der eine Tour längs der Straße der Romantik gemacht hat und den Fels bei Quedlinburg entdeckte. Zunächst hatte er einen nackten Menschen draufgestellt, ihm dann aber einen roten Teppich umgehängt, so dass er ein bisschen wie ein tibetanischer Mönch aussah, was auch zum Tempel passt. Tatsächlich steht aber noch gar nicht fest, was auf dem Nachbau aus Gerüststangen, Rasenmatten, Sträuchern und Blattvorhängen aus Stoff letztlich stehen wird. Müller weiß es schon, aber er verrät es nicht. „Wir sind der Fels in der Brandung“, nennt er als Grund, warum er dieses Motiv als seines entdeckt hat. Und ergänzt mit Blick auf den Tempel: „Wir sind die Denim-Päpste.“

Der blauweiße Boden im Zelt ist dem Jeansstoff Twill nachempfunden. Von Mittwoch an zeigen auf dem Gelände 684 Aussteller den Fachbesuchern, was die Armen und die Reichen, die Jungen und die Alten, die Frauen, die Männer und die Androgynen in Zukunft tragen werden. Klar, Jeans. Aber weder die Marke „True Religion“ noch Jeans-Pionier Levi’s sind im Tempel vertreten. Es gibt ja immer neue Marken wie den Japaner Momotaro, den Müller verehrt, weil er das Garn selber spinnt, die Stoffe selber webt, bevor Designer und schließlich die Fertiger ans Werk gehen. Wie viele Jeans-Labels es weltweit gibt, kann er auch nicht sagen. Aber in dem Gehämmer wird klar, dass es eine Menge Kreativität braucht, um aus einer Hose über Jahrzehnte und viele Kulturkreise hinweg, immer wieder neu „Habenwollen“-Stücke zu erschaffen.

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