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Leinen los. Das geht nur noch an sehr ausgewählten Plätzen.

© Imago

Seit 1. Januar in Berlin: Berlins Hundebesitzer haben für Leinenpflicht kaum Verständnis

Seit 1. Januar gilt in Berlin die Leinenpflicht für Hunde. In der Auslaufzone Hasenheide in Neukölln hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Mato hat keinen Schimmer, dass sein Name in der Sprache der Lakota-Indianer „kleiner Bär“ bedeutet. Er weiß auch nicht, dass Kroaten Mato mit „kleiner Wind“ übersetzen. Und wenn er’s wüsste, wäre es ihm so was von egal. Spannend ist am Dienstagvormittag der verwitterte Autoreifen, der im Hundeauslaufgebiet Hasenheide liegt, spannend ist der Labrador, mit dem er rumtobt. Mato ist vier Monate alt, mit buschigem Fell auf den Ohren und Gen-Anteilen eines Australian Shepard, für ihn ist vor allem spannend, dass er jetzt toben darf. Dass er nicht an der Leine durch Berlin tapsen muss.

Er weiß natürlich auch nicht, dass seit dem 1. Januar die „allgemeine Leinenpflicht im öffentlichen Raum“ gilt. Hunde müssen nun außerhalb von Auslaufzonen und Privatgrundstücken an der Leine geführt werden, abgesehen von komplizierten Ausnahmen. Wenn Matos Frauchen Constanze Gülle, eine 34-Jährige, die mit schwarzem Hoodie ihren Hund beobachtet, einen Hundeführerschein absolvierte, dürfte sie ihn zum Beispiel in ruhigen Gassen von der Leine lassen.

Sie ist sich allerdings „gar nicht sicher, dass ich einen Hundeführerschein brauche“. Mato bleibt außerhalb seiner Auslaufzone ohnehin angeleint, weil er noch nicht wirklich gehorcht. Und so richtig weiß Constanze Gülle auch nicht, was sie vom Leinenzwang halten soll. Einerseits „verstehe ich ihn ein Stück weit“. Es gebe ja genügend Hunde, die nicht gut erzogen sind und deshalb nicht gehorchen, und natürlich hätten Kinder Angst, wenn ihnen plötzlich ein freilaufenden Hund begegnet. Andererseits hat sie ja auch eine Fürsorgepflicht gegenüber einem Tier. Und für einen Hund ist eine Leine eine unnatürliche Situation.

„Die Hunde sind an der Leine aggressiver als ohne“

Die 34-Jährige hatte vor Mato 13 Jahre lang einen anderen Hund. Mit dem hatte sie mehr Stress, wenn er an der Leine war, als wenn er frei laufen durfte. In vier harten Jahren hat sie ihn zum Gehorsam erzogen.

Eddi ist anders, er hört nicht aufs Wort. Wird auch nicht anders, er ist sieben Jahre alt, für eine Erziehung ist es zu spät. Deshalb läuft er sowieso meist an der Leine. Aber die, tragisch genug, hatte für ihn sogar eine Zeit lang therapeutische Wirkung. Annette Müller (Name geändert) rettete Eddi vor zwei Jahren aus Spanien aus einer Tötungsanstalt, die Leine gab dem Mischling das Gefühl, dass er eine feste Bezugsperson hatte. „Die hatte er ja früher nie“, sagt Annette Müller, während Eddi mit weiten Sätzen durch die Auslaufzone tobt.

Wenn sie daran denkt, dass frei laufende Hunde ins Auto oder ins Fahrrad laufen können, hat sie Verständnis für den Leinenzwang. Aber bitte, dann möge man in Berlin doch mehr Hunde-Auslaufzonen einrichten. Eddi bleibt aber an der Leine, auch wenn er keine therapeutische Wirkung mehr benötigt.

Annette Müller denkt allerdings auch an die Halter der Hunde. Sie ist mal einer eher schmächtigen Frau entgegen gekommen, die einen schweren, großen Hund an der Leine hatte. Wenn der sich plötzlich losreißen sollte, dann hätte die Frau nie im Leben die Chance gehabt, ihn festzuhalten. Sie muss ja schon bei Eddi, 27 Kilogramm schwer, hart zupacken, wenn der plötzlich den Drang nach vorne hat. "Man müsste nochmal genauer darüber nachdenken, welche Hunde Maulkörbe tragen müssten", sagt Annette Müller.

Anton Bollen, eine schwarze Wollmütze mit der Aufschrift „Drei“ auf dem Kopf, ist mit Neila und Kanye da. Kanye ist 14, nahezu taub und geht schon deshalb an der Leine, Neila ist erheblich jünger, aber auch durch die Leine fixiert. Beide Tiere sind aus dem Tierheim. Bollen hat allerdings den Eindruck, „dass die Hunde mit der Leine aggressiver sind als ohne.“ Und die meisten frei laufenden Hunde, die er erlebt, „machen keinen Stress.“ Ja, irgendwann, vielleicht, macht er ja doch einen Hundeführerschein. Aber erst, wenn Kanye nicht mehr lebt und er sich einen neuen Hund anschafft. „Ich möchte, dass die Hunde frei laufen.“

Zehn Meter weiter tobt Mato immer noch wild durch die Zone. Er weiß natürlich auch nicht, dass er seinen Namen hat, weil Constanze Gülle gegoogelt hatte – nach einem Babynamen.

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