Berlin: Seit’ an Seit’
VON TAG ZU TAG Andreas Conrad über die Grenzen der Solidarität Die modernen Zeiten hatten zu Charlie Chaplins Zeiten ganz besondere Tücken. Da greift er als Tramp unschuldig nach einer roten Fahne, die ein vorbeisausender Lastwagen verloren hat, wedelt ihm vergeblich hinterher, während in seinem Rücken ein Demonstrationszug auftaucht, ein Meer von roten Fahnen, und von der anderen Seite ein Zug Schlagstock schwingender Cops naht – er unversehens mittenmang.
VON TAG ZU TAG
Andreas Conrad über
die Grenzen der Solidarität
Die modernen Zeiten hatten zu Charlie Chaplins Zeiten ganz besondere Tücken. Da greift er als Tramp unschuldig nach einer roten Fahne, die ein vorbeisausender Lastwagen verloren hat, wedelt ihm vergeblich hinterher, während in seinem Rücken ein Demonstrationszug auftaucht, ein Meer von roten Fahnen, und von der anderen Seite ein Zug Schlagstock schwingender Cops naht – er unversehens mittenmang. So schnell wurde man einst zum Rädelsführer, eine üble Situation, bei immerhin klaren Verhältnissen. Heute geht es hier humaner zu, aber die Möglichkeiten der Verwirrung sind rapide gestiegen. Wie unterscheidet man an einem Tag wie gestern einen uniformierten Demonstranten von einem uniformierten Hüter der Ordnung? Und wie begegnen sich Verbündete von gestern, da sie schritten Seit’ an Seit’, am Abend des 1. Mai rund um den Mariannenplatz? Wünschenswert wäre, dass sie Pflastersteine und Schlagstöcke niederlegen und Versöhnung über Barrikaden feiern. Aber so weit geht die Solidarität wohl nicht.
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