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Berlin: Seit der Messerattacke von Meißen wurden erheblich mehr Drohungen gegen Lehrer gemeldet

"Achtung! Ich habe demnächst vor, Amok zu laufen und ein paar Lehrer abzuschlachten.

"Achtung! Ich habe demnächst vor, Amok zu laufen und ein paar Lehrer abzuschlachten. Bitte tragt den Namen hier ein." Es folgt der Name einer Lehrerin, dahinter acht Striche - alle aus derselben Feder. Fundort: Ein Tisch im Klassenraum eines Berliner Gymnasiums. Ein Fall von 14 Lehrerbedrohungen, die sich nach dem Mord von Meißen zugetragen haben.

Vor Meißen, nach Meißen - so lautet die neue Zeitrechnung seit dem Mord an einer Lehrerin im November vergangenen Jahres. Längst ist deutlich geworden, dass diese Zeitrechnung auch für Berlin gilt. Denn "nach Meißen" haben dreimal mehr Lehrer Bedrohungen oder Verletzungen gemeldet als vorher, berichtet Bettina Schubert vom Landesschulamt. Während früher nur in acht bis zehn Prozent der gemeldeten Gewaltfälle Lehrer die Opfer waren, sind sie es jetzt bei jedem fünften Fall.

Auf die veränderte Situation haben Gewerkschaft GEW und Landesschulamt reagiert. Die GEW gab in der aktuellen Ausgabe ihrer Lehrerzeitung Tipps zum Thema "Gewalt gegen Lehrkräfte" und lobt den offensiven Umgang des Marzahner Otto-Nagel-Gymnasiums mit der Bedrohung eines Kollegen (wir berichteten). Das Landesschulamt verschickt zur Zeit an alle Berliner Schulen Rundschreiben zum "Umgang mit Gewaltvorfällen". Dort wird eindringlich davor gewarnt, dass auch Vorfälle mit "medizinisch weniger gravierenden Verletzungen" buchstäblich krank machen könnten, wenn das traumatisierte Opfer nicht innerhalb weniger Wochen ein Hilfsangebot bekomme, um das Geschehen zu verarbeiten.

Weil 20 Prozent der Gewaltvorfälle Bettina Schubert zufolge mit Pöbeleien oder Hänseleien beginnen, mahnt das Landesschulamt in seinem Rundschreiben mehr Aufmerksamkeit gegenüber "latenten Konfliktlagen" an. Schon der schleichenden Verrohung der Sprache sollten Lehrer deshalb entgegentreten, um Vertrauen und Akzeptanz der Schüler nicht zu verlieren. Wegschauen und Schweigen würden "als Billigung gedeutet und fördern Gewaltverhalten", heißt es dort weiter.

Da ist zum Beispiel ein Schüler, der wegen einer "6" um seine Lehrstelle bangt. Die Zensur wird ihm "am Tag nach Meißen" mitgeteilt. Prompt sagt er dem betreffenden Pädagogen: "Es wird Ihnen so gehen wie der Lehrerin." Frau Schubert berichtet, dass dieser Fall in der Schule angemessen behandelt, das heißt nicht unter den Tisch gekehrt wurde. Dem Schüler wurde klar gemacht, dass er zu weit gegangen war. Noch nicht ausgestanden ist dagegen die Sache mit der Drohung auf dem Schülertisch: Das Möbelstück wird inzwischen vom Polizeigraphologen untersucht, weil der verdächtige Schüler leugnet.

GEW-Chef Ulrich Thöne glaubt indes nicht, dass die Gewalt gegenüber Lehrern in dem Maße zugenommen hat, wie es die Meldungen beim Landesschulamt nahelegen. Vielmehr seien die Lehrer "nach Meißen" sensibler geworden und würden auch Bedrohungen melden, die sie früher für sich behalten hätten.

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