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Berlin: Selbstmord im Grunewald soll erneut untersucht werden

Angeblicher Freitod eines Aubis-Mitarbeiters beschäftigt Banken-Untersuchungsausschuss. Justizverwaltung überprüft Akten

Von Sabine Beikler

War es Mord oder Selbstmord? Über zwei Jahre nach dem Tod von Lars-Oliver P., eines leitenden Mitarbeiters der Aubis-Gruppe, werden Zweifel laut, ob sich der frühere Aubis-EDV-Chef tatsächlich im Grunewald erhängt hat. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2002 eingestellt: Es gebe keine Hinweise auf Fremdverschulden. „Wir haben nach wie vor begründete Zweifel an dieser Selbstmordthese“, sagte am Freitag Frank Zimmermann (SPD), Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Bankenaffäre. Auch Wolfgang Wieland, Grünen-Abgeordneter und Anwalt der Familie von Lars-Oliver P., fordert eine Wiederaufnahme der Ermittlungen. Wichtige Zeugen seien nicht vernommen worden. „Und warum wurde ein entscheidender Teil des Strickes vernichtet?“, fragt Wieland.

„Es gibt keine neuen Erkenntnisse“, entgegnet Björn Retzlaff, Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Eine Wiederaufnahme wird es nicht geben.“ Wirklich nicht? Nach Informationen des Tagesspiegels lässt Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) noch einmal Akten prüfen. Dies bestätigte Retzlaff, der zurzeit als Sprecher der Justizverwaltung amtiert. Laut Gerichtsverfassungsgesetz könnte Schubert als Dienstherrin die Staatsanwaltschaft anweisen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Der mysteriöse Tod von Lars-Oliver P. hatte schon vor eineinhalb Jahren viele Rätsel aufgegeben. Am 29. September 2001 entdeckte ein Spaziergänger im Grunewald die Leiche des 32-Jährigen. Er wurde an einem Baum erhängt gefunden. Zwar gab es am Tatort Spuren, die auf einen Einfluss von außen hindeuteten, doch die Obduktion ergab keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden. Erst ein paar Monate später begann die Staatsanwaltschaft, in eine andere Richtung zu ermitteln. Einige Zeit vor seinem Tod hatte sich P. als Belastungszeuge in der Bankenaffäre angeboten. P. wollte sogar Belastungsmaterial über angeblich dubiose Aubis-Geschäfte übergeben. Im Freundeskreis hatte er angegeben, dass er sich bedroht fühle. Dem „Spiegel“ zufolge soll er sogar ausdrücklich gesagt haben, dass er „erhebliche Angst vor den Handelnden der Aubis-Gruppe“ habe.

Wolfgang Wieland, der mit seinem Kollegen Hajo Ehrig eine Anwaltssozietät betreibt und seit Anfang 2002 die Familie von P. vertritt, hat erhebliche Zweifel daran, dass es Selbstmord war. „Warum ist P. damals nachts ohne Papiere und ohne seinen Organizer, den er immer bei sich trug, in den Grunewald gefahren? Wie ist er dahin gekommen? Und warum hat er akribisch Bäume in einem Dreieck aufeinander gestapelt, hat sich dann darauf gestellt, fein säuberlich einen professionellen Henkersknoten geknüpft und ist in die Schlinge reingehüpft?“ Ungeklärt bleibt für den früheren Grünen-Justizsenator außerdem, warum ein möglicherweise entscheidender Teil des Strickes vernichtet worden ist, „mit dem man hätte untersuchen können, ob eventuell doch Fremdverschulden, also ein vorgetäuschter Selbstmord vorgelegen hat“.

Anwaltssozietät und Ausschuss-Vorsitzender Zimmermann haben sich inzwischen an die Justizsenatorin gewandt. Behördensprecher Retzlaff wollte sich gestern zum Ausgang der Aktenprüfung noch nicht äußern.

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