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Die Australierin Amy Mckinney schläft in einer Kiste. Mit ihrem mobilen Bett zieht sie durch die Stadt – die Konstruktion hat Räder.

© Davids

Seltsame Mini-Hostels: Ein Quadratmeter reicht zum Glück

In Szenevierteln stehen ulkige Holzburgen auf den Gehwegen – darin kann man schlafen, für einen Euro auf einem Quadratmeter. Verblüffend ist: Das machen sogar Leute. Das Übernachtungskonzept ist als Beitrag zur Gentrifizierungs-Debatte erdacht worden.

Mit zwei Handgriffen ist Amy Mckinneys Bett gemacht. Sie rollt das Holzhäuschen von der Außenwand des Hostels weg und legt es mit der langen Seite auf den Gehweg. Dann breitet sie ihre braun-weiß karierte Decke aus und steigt in die Box, die gefährlich wackelt, aber hält.

„Das geht schneller als im Hostel“, sagt die 30-jährige Neuseeländerin. Seit anderthalb Wochen schläft sie in dem einen Quadratmeter großen mobilen Schlafzimmer des Weddinger Architekten Van Bo. Es ist eines von vier Häusern, die in Friedrichshain vor einem Hostel für einen Euro gemietet werden können.

„Es ist total bequem hier drin“, strahlt die 1,60 Meter große Backpackerin, als sie auf der Matratze liegt und aus ihrem Haus herauslugt. Ein leichter Geruch von frischem Holz zieht in die Nase. Die nackten Platten erinnern eher an einen Einkauf im Baumarkt als an einen Campingausflug in den Wald.

Amy Mckinney hat versucht, es sich in ihrem kleinen Zuhause heimisch zu machen. An der Wand baumelt ein schwarzes Schild, auf das sie die weißen Buchstaben „Box sweet box“ geklebt hat, in Anlehnung an den Spruch „Home sweet home“. Eine Taschenlampe klebt als Leselicht am Kopfende der Box. Zum Schlafen schiebt sie die kleine Tür von innen hoch und verriegeln sie mit einem Holzpflock, es bleibt nur ein Spalt für frische Luft. Außerdem hat ihr Haus eine verschließbare Lucke, wie ein Schiebedach am Auto, zum in die Sterne schauen.

Gut Holz. Der Weddinger Architekt Van Bo Le-Mentzel hat die Kisten entworfen.
Gut Holz. Der Weddinger Architekt Van Bo Le-Mentzel hat die Kisten entworfen.

© dapd

Amy Mckinney, die ihre kurzen Haare unter einer grauen Schiebermütze versteckt, erinnert sich lachend an ihre erste Nacht im Haus, am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Sie habe nur vier Stunden geschlafen. Obdachlose haben sich für ihr Haus interessiert, Betrunkene haben daran gewackelt. Hier in Friedrichshain sei es etwas ruhiger. „Doch die Berliner sind generell schon sehr neugierig“, sagt sie. Oft wurde sie schon von einem Klopfen am Haus geweckt. „Eine Dame hat die kleine Luke am Kopfende geöffnet und war so erschreckt, meinen blonden Schopf in der Box zu sehen, dass sie geschrien hat und schnell weggegangen ist.“ In ein normales Hostelzimmer möchte sie nicht umziehen. Sie sieht ihre Zeit im Mini-Haus als ein Abenteuer-Experiment. „Ich wollte wissen, wie viel Platz ich brauche, um glücklich zu sein", sagt sie. Antwort: einen Quadratmeter.

Für den Architekten Le van Bo kann der Wert seiner Holzhäuschen nicht in Quadratmetern gemessen werden, sondern in der Freiheit, die man durch sie bekommt. „Man kann mit dem Haus machen, was man möchte, es aufstellen, wo man möchte“, erklärt er. Amy Mckinney ist schon mit dem Blick auf den Mauerpark aufgewacht, an einem anderen Morgen hatte sie die Spree vor ihrer Haustür. Wie eine Schnecke zieht sie ihr Haus auf Rollen von Schlafplatz zu Schlafplatz, manchmal benutzt sie auch die U-Bahn.

Van Bo sieht seine Häuser als einen Beitrag zur Gentrifizierungs-Debatte. „Jeder sollte sich Wohnraum leisten können“, findet der 35-Jährige. Bekannt geworden ist der Architekt aus Wedding mit preiswerten „Hartz-IV-Möbeln“ zum Selberbauen. Unter dem Motto „Konstruieren statt Konsumieren“ will er die Wegwerfgesellschaft anprangern. Der Wert der Gegenstände würde nicht mehr geschätzt werden. In Kursen zeigt er deshalb, wie jeder sich selber ein Dach über den Kopf bauen kann. Für 250 Euro seien alle notwendigen Materialien in einem Baumarkt zu haben. Sperrholzplatten aus Fichtenholz, vier Rollen und einen Akkuschrauber brauche man. 13 Häuser stehen bereits in Prenzlauer Berg.

Auch Amy Mckinney hat an ihrem Haus mitgebaut. Es ist wie die anderen Holzhäuser vor dem Hostel im Guggenheim Lab entstanden. Ihr gefällt, dass sie mehr Privatsphäre hat als in einem Mehrbettzimmer im Hostel. Nur mit einem kleinen schwarzen Kater aus der Nachbarschaft teilt sie sich manche Nacht. Er schläft an ihrem Fußende. Trotzdem ist sie froh, ihr Haus in der Nähe des Hostels stehen zu haben – dort kann sie kochen, duschen, ins Internet gehen und ihre Wertsachen in einem Spind aufbewahren. Bestohlen wurde sie aber bisher nicht.

Das Hostel sieht die Holzhäuser nicht als Konkurrenz. „Man kann ja auch nicht ein Auto mit einem Kettcar vergleichen“, sagt der Mann an der Rezeption. Ausgebucht sind die vier Mini-Häuser jedenfalls in dieser Nacht nicht.

Amy Mckinney reicht es nicht, nur in ihrem Mini-Haus zu schlafen. Ihre nächste Idee ist, tagsüber das Haus in „das kleinste Café der Welt“ zu verwandeln. Ab diesem Sonntag plant sie, am Mauerpark Kaffee und Suppe anzubieten, zubereitet auf einem Gaskocher. Zurück in Neuseeland möchte sie sich ein neues Haus bauen und den Berliner Trend weiterverbreiten. „Die Baupläne habe ich bereits“, sagt sie.

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