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Berlin: Senat lehnt Volksbegehren gegen den Bankenskandal ab

Bürgerinitiative wehrt sich und will jetzt das Landesverfassungsgericht anrufen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Volksbegehren zur Auflösung der Bankgesellschaft Berlin ist vorerst gestoppt. Der Senat will den Antrag der Bürgerinitiative „Schluss mit dem Berliner Bankenskandal“ heute ablehnen. „Dann gehen wir natürlich vor das Landesverfassungsgericht“, sagte der Mitbegründer der Initiative, Peter Grottian, gestern dem Tagesspiegel. „Es kann nicht sein, dass eine Volksgesetzgebung verhindert wird, nur weil es um ein bisschen Geld geht.“ Der Senat befürchtet dem Vernehmen nach, dass ein erfolgreiches Volksbegehren unkalkulierbare Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen hätte.

Nach der Berliner Verfassung kann nicht nur das Parlament, sondern auch das Volk Gesetze ändern und erlassen, wenn sich dafür ausreichende Mehrheiten finden. Seit Juli 2003 hat die Banken-Initiative über 37 000 Unterschriften gesammelt, die am 2. Januar dem Innensenator Ehrhart Körting vorgelegt wurden. Der Zweck der Veranstaltung: Per Volksbegehren soll die Bankgesellschaft in die Insolvenz geführt werden. Nur die Sparkasse und die Investitionsbank Berlin dürfen weiterleben. Außerdem soll das Gesetz zur „Risikoabschirmung“ aufgehoben werden. Es sichert dubiose Immobiliengeschäfte der Bank in Milliardenhöhe zulasten der Steuerzahler ab. Ohne dieses Gesetz hätte die Bankgesellschaft 2002 schließen müssen.

„Die Bankgesellschaft ist eine Fehlkonstruktion und hat sich zugrunde gewirtschaftet“, argumentiert die Bürgerinitiative. Der Weg der Insolvenz wäre zwar schmerzhaft für die Gläubiger und die Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verlören. Aber unter die verfehlte Bankenpolitik Berlins müsse endlich ein Schlusstrich gezogen werden. Die Innenverwaltung hat diesen Antrag auf ein Volksbegehren juristisch geprüft und kam dem Vernehmen nach zu dem Schluss, dass er nicht zulässig ist. Der Senat beruft sich auf Artikel 62 der Verfassung: „Volksbegehren zum Landeshaushalt … sind nicht zulässig.“

Auch in den anderen Bundesländern gibt es diese Einschränkung, die noch auf die Weimarer Reichsverfassung von 1918 zurückgeht und viele Rechtsstreitigkeiten provoziert hat. Gäbe es den so genannten „Haushaltsvorbehalt“ nicht, könnte beispielsweise der Nulltarif für öffentliche Verkehrsmittel durch ein Plebiszit erzwungen werden. In Schleswig-Holstein hat eine Bürgerinitiative 1998 gefordert, die staatlichen Zuschüsse für Schulen so zu erhöhen, dass auch Privateinrichtungen kein Schulgeld nehmen müssen. Der Streit wurde zwei Jahre später vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Volksinitiative wurde für unzulässig erklärt, weil sie „das Haushaltsgleichgewicht stört, zu einer Neuordnung des Haushaltsgesamtgefüges zwingt und das Budgetrecht des Parlaments beeinträchtigt.“

Die Karlsruher Richter nahmen mit diesem Urteil die Rechtsprechung in Bayern, Bremen und Nordrhein-Westfalen auf. Im September 2001 entschied auch das Landesverfassungsgericht in Brandenburg gegen eine Volksinitiative, die den öffentlichen Haushalt belastet hätte. Es ging dabei um die Kitabetreuung und voraussichtliche Mehrausgaben von 68 Millionen Euro. Beim Volksbegehren zum Berliner Bankenskandal geht es nach Einschätzung des Senats um ganz andere Summen.

Zahlen werden offiziell nicht genannt, doch eine Auflösung der Bankgesellschaft könnte das Land Berlin nach Meinung von Experten mit einer zweistelligen Milliardensumme belasten. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, den Wirtschaftsstandort Berlin und den Bankenplatz Deutschland. Nun hoffen Grottian & Co. auf das Berliner Verfassungsgericht. Immerhin gab es 2002 in Sachsen ein Urteil gegen den Trend. Dort wurde ein Volksbegehren für kleinere Schulklassen von den Richtern als finanziell verkraftbar zugelassen.

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