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Gebetshaus der Alevitischen Gemeinde in Berlin-Kreuzberg.

© Hannes Heine

Exklusiv

Senat prüft Gleichstellung mit christlichen Kirchen: Berlin will Alevitische Gemeinde offiziell als Religionsgemeinschaft anerkennen

Die Kulturverwaltung prüft „mit Wohlwollen“, der Alevitischen Gemeinde Körperschaftsstatus zuzusprechen. Damit verbunden sind Steuerprivilegien und Mitsprache.

In Berlin steht die Anerkennung der Alevitischen Gemeinde als Körperschaft öffentlichen Rechts bevor. Dies geht aus einem Schreiben der Senatskulturverwaltung hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Im Januar hatte die Alevitische Gemeinde Deutschlands einen entsprechenden Antrag für Berlin gestellt.

Man sehe „ein starkes Indiz für eine folgende Anerkennung“; die Alevitische Gemeinde habe nötige Unterlagen bis Jahresende zugesagt, schrieb Staatssekretär Gerry Woop vor einigen Tagen an den Kreuzberger Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser (beide Linke). Der Senat bearbeite den Vorgang mit „großem Wohlwollen“.

Im Dezember 2020 erhielten die Aleviten erstmals in Nordrhein-Westfalen den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Damit wird ihre Gemeinde den Kirchen gleichgestellt. Der Status bringt Rechte und Pflichten mit sich: Religionsgemeinschaften erhalten Steuerprivilegien und Mitsprache in öffentlichen Gremien und müssen dafür unter anderem verlässlich organisiert sein.

Die Alevitische Gemeinde biete durch ihre interne Verfassung und Mitgliederzahl eine Gewähr für Beständigkeit, hieß es sinngemäß in der Verordnung der NRW-Regierung. An ihrer Rechtstreue bestehe kein Zweifel.

Aleviten wären erste Körperschaft aus islamischem Spektrum

In Berlin wären die Aleviten die erste Religionsgemeinschaft, die dem breiten Spektrum des Islam entstammt und als Körperschaft anerkannt würde. Allerdings unterstützen staatliche Stellen den Moscheenverband Ditib, der wiederum der türkischen Regierung nahesteht. In Rheinland-Pfalz hatten Landesregierung und Ditib 2020 eine Vereinbarung über eine künftige Anerkennung als Körperschaft geschlossen.

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Der Abgeordnete Meiser begrüßt, dass Berlins Aleviten vor der staatlichen Anerkennung stehen: „Solange Religionsgemeinschaften staatliche Privilegien eingeräumt werden, muss dies diskriminierungsfrei für alle Religionsgemeinschaften gelten, soweit diese grundsätzliche Werte unserer Verfassung nicht in Frage stellen.“ In Berlin hat die Alevitische Gemeinde in Kreuzberg ihren Sitz, der am Mittwoch von SPD-Landeschef Raed Saleh besucht wurde. Rund 4500 Berliner gehören der Gemeinde an, 70.000 Aleviten leben in der Stadt.

Gefahr durch türkisch-rechtsextreme Graue Wölfe

Die obrigkeitskritischen Aleviten werden von vielen sunnitischen Muslimen abgelehnt. In der Türkei, wo weltweit die meisten Aleviten leben, griffen die rechtsradikalen Grauen Wölfe und die türkische Regierungspartei MHP die Anerkennung der Gemeinschaft durch das Land NRW öffentlich an.

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Bis heute nicht restlos aufgeklärt ist das Sivas-Massaker. Im anatolischen Sivas hatte 1993 ein islamistischer Mob mehr als 30 Aleviten getötet. Einer der verurteilten Mörder entzog sich der Haft und lebt seitdem in Berlin.

Der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux stellte deswegen 2019 Strafantrag beim Generalbundesanwalt. Die Verfolgung des Mannes sei strafrechtlich „nicht aussichtsreich“, habe die Behörde mitgeteilt, sagte Lux: „Umso wichtiger ist es, dem Sivas-Massaker einen würdigen Gedenkort in Berlin zu organisieren.“

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