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Berlin: Senat startet Initiative zur Strafverschärfung

Künftig höhere Strafen für Rausch-Delikte VON JENS ANKER UND UTA V.ARNIM Berlin.

Künftig höhere Strafen für Rausch-Delikte VON JENS ANKER UND UTA V.ARNIM Berlin.Zu sieben Jahren Gefängnis wegen Vollrausches und illegalen Waffenbesitzes hat das Landgericht den 41jährigen Helmut D.verurteilt.Der Mann hatte im Mai vergangenen Jahres mit 3,9 Promille Alkohol im Blut einen Polizisten erschossen und zwei weitere schwer verletzt.Der tragische Fall hat der Debatte um die Bestrafung von Straftaten im Vollrausch neue Nahrung gegeben.Der Senat hat auf Vorschlag von Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit am Dienstag eine Bundesrats-Initiative für einen schärferen Strafrahmen beschlossen.Demnach soll die Höchststrafe von bislang fünf auf zehn Jahre erhöht werden (siehe "Schwere Taten werden privilegiert").Das Motiv der Bluttat war nach Ansicht des Gerichts nicht zu klären.Der Maschinenbau-Ingenieur war seit einem Unfall kurz vor der Tat auf einem Auge blind und fuhr ohne Fahrerlaubnis.Am 8.Mai hatte der Mann auf die Beamten geschossen.Die beiden verletzten Polizisten folgten dem Prozeß jetzt als Nebenkläger.Die drei hatten sich damals auf der Heimfahrt befunden und waren nicht im Dienst, als sie den in Schlangenlinien fahrenden Wartburg in der Marzahner Rhinstraße bemerkten.Zunächst habe sich der Fahrer kooperativ verhalten, dann sei die Stimmung umgeschlagen.Mit den Worten "dann müssen wir das anders regeln, dann muß ich Euch erschießen" hatte gefeuert. Die Tat, so waren sich alle Beteiligten sicher, hätte vermieden werden können.Am Morgen des Tattages besuchte der nun Verurteilte seine Arbeitsstelle, um eine Krankmeldung abzugeben.Dabei trank er eine Flasche Rotwein und schoß zweimal in die Wand.Die Kollegen ließen ihn gewähren.Sie alarmierten die Polizei nicht.Ebenfalls folgenlos blieb ein Abstecher zum TÜV Marzahn.Auch dort zeigte er seine Pistole, schoß allerdings nicht.Eine Mitarbeiterin und ein Fahrlehrer, die den Vorgang beobachteten, ließen den Vorfall auf sich beruhen.Danach kam es zu dem Zwischenfall in Marzahn. Der Verteidiger des Verurteilten hatte aufgrund des Vollrausches und psychischer Störungen wegen Schuldunfähigkeit auf Freispruch plädiert.Gegenüber einem Psychiater hatte Helmut D.davon gesprochen, Farben gehört zu haben und sich von Vietnamesen umzingelt zu sehen.Psychische Veränderungen gehören nach Angaben von Medizinern zum Alkoholeinfluß dazu: Sowohl kurzfristige wie Enthemmung, Größenphantasien, Neigung zu Aggressivität als auch langfristige Persönlichkeitsveränderungen.Unter Alkoholeinfluß könne sogar eine Psychose mit Wahnvorstellungen erst richtig zum Ausbruch kommen, sagt Chaim Levy vom Jüdischen Krankenhaus.Aber auch unabhängig von der - relativ seltenen - Psychose seien Wahnvorstellungen im Zusammenhang mit Alkohol häufig: Angst vor Würmern, vor Spinnen, das Sehen von nicht Anwesenden hätten Menschen meist im Entzug, nicht selten aber auch im Rausch.Gewaltexzesse geschehen "fast immer unter Alkoholeinfluß", sagt Rolf Hüllinghorst von der Hauptstelle gegen die Suchtgefahren. Wer an Alkohol nicht gewöhnt ist, stirbt bei vier Promille im Blut.Natürlich hänge die Alkoholverträglichkeit auch von Körperbau und Geschlecht ab, sagt Levy, aber "normalerweise ist bei drei Promille schon die Narkose erreicht".Bei einem Promille beginne der Rauschzustand, bei 1,4 die Alkoholvergiftung mit aufgehobener Zurechnungsfähigkeit, bei zwei Promille komme es zu körperlichem Zusammenbruch und "Filmriß".Mit regelmäßigem Konsum steige die Alkoholtoleranz, Alkoholiker haben oft einen "Spiegel" von 2 Promille - Blutalkoholwerte von mehr als 3,5, wie sie der Angeklagte aufwies, werden aber auch dem Suchtkranken lebensgefährlich. Schwere Taten werden "privilegiert" Berlin plant Initiative zur Verschärfung des VollrauschparagraphenIn Paragraph 323a des Strafgesetzbuches heißt es: "Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Das soll sich nach dem Willen des Berliner Senats ändern.Am Dienstag beschloß er auf Vorschlag der Justizsenatorin, eine Bundesratsinitiative zu starten, die die Verschärfung des Paragraphen zum Ziel hat.Nach der gegenwärtigen Gesetzeslage steht für einen im Vollrausch begangenen Mord der gleiche Strafrahmen zur Verfügung wie für einfachen Diebstahl. "Eine weitere Unzulänglichkeit folgt daraus, daß der Rauschtäter im Bereich der leichten und mittleren Kriminalität mit derselben Sanktion belegt werden kann, die ihm im schuldfähigen Zustand schlimmstenfalls drohen könnte, während der Täter, der schwerste Rauschtaten begeht, in hohem Maße gesetzlich privilegiert wird", sagte Peschel-Gutzeit in der Begründung ihrer Initiative.Die Verschärfung des Strafrahmens von mindestens sechs Monaten bis zehn Jahren soll nur für im Rausch begangene Verbrechen wie Raub, Vergewaltigung, Totschlag und Mord gelten. Gerade die Bekämpfung der Gewaltkriminalität, die häufig in engem Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenmißbrauch stehe, sei ein zentrales gesellschaftliches Anliegen, sagte Peschel-Gutzeit weiter.Durch den Entwurf könnten Rauschtaten gerechter bestraft werden, da die individuelle Schuld sich besser in einem Urteil ausdrücken könne.Mit einer Höchststrafe von derzeit fünf Jahren sei dies nicht möglich.

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