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Berlin: Senat verabschiedet sich vom Blauen Umweltengel

Von Lars von Törne Jahrelang galt die Berliner Landesregierung als Vorbild für eine umweltfreundliche Materialbeschaffung. Nahezu jedes Blatt Papier, das über das Landesverwaltungsamt für die Behörden besorgt wurde, war aus umweltfreundlichem Recyclingmaterial, ausgezeichnet mit dem blauen Umweltengel.

Von Lars von Törne

Jahrelang galt die Berliner Landesregierung als Vorbild für eine umweltfreundliche Materialbeschaffung. Nahezu jedes Blatt Papier, das über das Landesverwaltungsamt für die Behörden besorgt wurde, war aus umweltfreundlichem Recyclingmaterial, ausgezeichnet mit dem blauen Umweltengel. So sah es eine 1995 erlassene Vorschrift vor. Außerdem sparte die Landeskasse jährlich einige hunderttausend Euro, denn Recyclingpapier ist heutzutage deutlich billiger. Seit dem Regierungswechsel jedoch hat der Senat erstmals wieder in großem Umfang Papier ohne Öko-Siegel bestellt – zuletzt Ende Juni etliche Millionen Blatt.

Im jüngsten Amtsblatt, das die öffentlichen Aufträge des Landes bekannt gibt, wurde zum nunmehr zweiten Mal eine große Menge Frischfaserpapiers ausgeschrieben, ebenso ein großer Bestand „weißen“ Recyclingpapiers, das wegen seines geringen Altpapieranteils nicht das Umweltsiegel trägt. Insgesamt 130 Millionen Blatt nicht umweltfreundliches Papier hat das Landesverwaltungsamt ausgeschrieben, bestätigt Referatsleiter Günter Schulz. Damit ist die Menge inzwischen fast ebenso groß wie die für Ökopapier, von dem 156 Millionen Blatt ausgeschrieben wurden. Umweltpolitiker, Ökoverbände und Recyclingpapier-Lobby kritisieren die Kehrtwende.

„Der Senat hat den Umweltschutzkonsens verlassen“, sagt Marco Hardt von der Initiative Pro Recyclingpapier, in der neben Papierunternehmen auch Konzerne wie Sony und Lufthansa mitarbeiten. „Damit verabschiedet sich die Landesregierung von ihrer bundesweiten Vorreiterrolle – und verstößt außerdem gegen ihre eigene Beschaffungsrichtlinie.“ Gerade in den Zeiten des Sparzwangs sei das nicht nachzuvollziehen: „Der Senat könnte durch Recyclingpapier 250 000 Euro pro Jahr sparen – das entspricht den Kosten für eine Kindertagesstätte.“

Umweltschützer fordern den Senat auf, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. „Berlin war lange Vorbild für viele Unternehmen, die ebenfalls auf Recyclingpapier umgestiegen sind – die Abkehr von dieser Linie ist ein Trauerspiel“, sagt der Landesgeschäftsführer der Grünen Liga, Stefan Richter. „Das Vorgehen der Senatsverwaltungen ist nicht nachvollziehbar“, pflichtet die grüne Umweltpolitikern Felicitas Kuballa bei. Und die PDS-Abgeordnete Delia Hinz, die kürzlich eine Anfrage zum Thema an die Landesregierung gestellt hat, fordert: „Der Senat muss härter durchgreifen und die Verwaltungen anweisen, wieder zum Umweltschutzpapier zurückzukehren.“ Auch aus einer Bundesbehörde kommt Kritik: „Das Verhalten der Landesregierung ist ein umweltpolitischer Rückschritt und eine ökonomische Verschwendung“, sagt Markus Kollar, Papierexperte des Umweltbundesamtes, das die Kriterien für den blauen Umweltengel festlegt.

In den Senatsverwaltungen bewertet man die vermeintliche Kehrtwende indessen völlig anders. Aus Sicht des Landesverwaltungsamtes, der übergeordneten Senatsverwaltung für Inneres und auch aus Sicht der Umweltverwaltung dient die offizielle Abkehr vom Öko-Papier nämlich eben gerade der langfristigen Stärkung des Umweltschutzgedankens. In der Praxis hätten etliche Behörden in den vergangenen Jahren das Umweltgebot auf eigene Faust umgangen und sich durch separate Ausschreibungen Frischfaserpapier besorgt, erklärt Referatsleiter Günter Schulz vom Verwaltungsamt. Also beschlossen Umwelt- und Innenverwaltung Ende vergangenen Jahres, das unkontrollierte Treiben wenigstens in geordnete Bahnen zu lenken. Mit dem doppelten Ziel, durch große Bestellungen die Papierpreise zu senken – und langfristig den Umweltmuffeln in den Behörden das Öko-Papier schmackhaft zu machen. „Nur wenn die Bestellungen über uns laufen, wissen wir, welche Verwaltung welchen Bedarf hat“, erklärt Referatsleiter Schulz. Erst dann könne man versuchen, sie zur Abkehr vom weißen Papier zu bewegen. Ob die pädagogischen Bemühungen bisher Erfolg hatten, könne man noch nicht sagen. Eines stehe aber schon jetzt fest, sagt Referatsleiter Schulz: Ab kommendem Jahr soll es vom Landesverwaltungsamt keine weitere Ausschreibung für Frischfaserpapier ohne Öko-Siegel mehr geben.

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