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Berlin: Senat will weitere 1400 Stellen in Bezirken streichen

Neuer Personalschlüssel zwingt Ämter, weitere Dienstleistungen auszugliedern SPD-Genossen fordern Nachverhandlungen mit dem Koalitionspartner CDU.

Ob verpflichtende Kinderpässe oder die neue Wohnungspolitik des Senats: Auf die Bezirke kommen ständig neue Aufgaben zu, obwohl sie schon jetzt ihre Arbeit kaum bewältigen können. Dennoch sollen sie weitere 1457 Stellen abbauen. Weil der Personalbedarf künftig nur nach der Einwohnerzahl bemessen wird, sieht sich ein Teil der Ost-Bezirke besonders belastet und protestiert.

Laut Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU soll die Zahl der Beschäftigten bis 2016 in der Hauptverwaltung auf 80 000 und in den Bezirken auf 20 000 reduziert werden. Demnach müssen die Bezirke noch 1457 Stellen streichen. In einer Arbeitsgruppe der Finanzverwaltung mit einigen Bezirksbürgermeistern wurde ein Verteilungsschlüssel festgelegt. Dazu wurde die tatsächliche Zahl von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Arbeitszeiten auf Vollzeitstellen umgerechnet und in Beziehung zur Einwohnerzahl des jeweiligen Bezirks gesetzt. Aus diesem Schlüssel ergeben sich aufgrund des unterschiedlichen Stands beim bisher erreichten Personalabbau und bei der Auslagerung von Dienstleistungen erhebliche Differenzen.

Treptow-Köpenick hat nach der Erhebung 331,2 Mitarbeiter zu viel, gefolgt von Lichtenberg (296,5) und Mitte (245,7). Tempelhof-Schöneberg kommt dagegen mit 65,9 Beschäftigten weniger aus, als rechnerisch benötigt werden, Neukölln liegt sogar 156,6 Kräfte unter dem Soll. Weil die hier „eingesparten“Stellen den anderen Bezirken gutgeschrieben wurden, reduziert sich der Abbau für Treptow-Köpenick auf 309, für Lichtenberg auf 274,2 und für Mitte auf 223,4.

Mit den Bezirken, die über dem Soll liegen, sollen erstmals zum 31. Oktober jährliche Abbaupläne vereinbart werden. Ausgliederungen von Verwaltungseinheiten können auf den Personalabbau angerechnet werden. Bezirke, die den festgelegten Plan beim Personalabbau erfüllen, dürfen zusätzlich frei werdende Stellen neu besetzen und Auszubildende in ihren durchweg überalterten Verwaltungen übernehmen. Franz Schulz (Grüne), der als Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg 138,7 Stellen abbauen soll, hatte die Arbeitsgruppe unter Protest verlassen. Er spricht vom „Kaputtsparen“ einer zunehmend funktionsunfähigen Bezirksverwaltung.

Oliver Igel (SPD), Bürgermeister von Treptow-Köpenick, nennt es „Personalabbau nach dem Chaosprinzip“. Im letzten Jahrzehnt habe der Bezirk die Belegschaft bereits um 52 Prozent reduziert. Dazu gehörten auch die für die Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen zuständigen Mitarbeiter, nun kommt diese Aufgabe im Rahmen der neuen Mietenpolitik von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) auf die Bezirke zurück. Die Streichung weiterer 309 Stellen sei schon wegen der gesetzlichen Pflichtaufgaben „praktisch nicht umzusetzen“, sagt Igel.

274 Stellen sind „eine Größenordnung, gegen die wir Sturm laufen“, sagt Lichtenbergs Bürgermeister Andreas Geisel (SPD). Man müsste einen Teil der freizusetzenden Mitarbeiter weiter bezahlen und gleichzeitig Aufgaben wie die Grünpflege an Fremdfirmen vergeben. Ein Teil der bereits heute überlasteten Bürgerämter müsste geschlossen werden. Geisel beklagt die fehlende Solidarität unter den Bezirken. Da die Mehrzahl von der Aufteilung des Stellenabbaus profitieren würde, seien die Mehrheiten gesichert.

In Reinickendorf, wo 94 Stellen abgebaut werden müssen, spricht Bürgermeister Frank Balzer (CDU) von einer sehr schwierigen, aber machbaren Situation. Die jetzt am stärksten gebeutelten Ostbezirke hätten ihre Einsparungs-Hausaufgaben in den vergangenen Jahren nicht gemacht, sagt der Christdemokrat. „Sie stehen jetzt zu Recht im Fokus.“

„Wer daraus einen reinen Ost-West-Konflikt machen will, ist unredlich“, meint dagegen Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD), der 75 Stellen abbauen soll. Es könne nicht sein, dass die Bezirke vom Senat immer mehr Aufgaben zugewiesen bekommen, das Personal aber nicht mitläuft, so Kleebank

Auch in der Regierungspartei SPD wächst daher der Widerstand gegen die Pläne. Der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg – dessen Chef Jan Stöß sich am heutigen Sonnabend gegen Amtsinhaber Michael Müller zur Wahl als SPD-Landesvorsitzender stellt – bringt beim Landesparteitag den Antrag ein, den künftigen Stellenschlüssel auf 79 000 Mitarbeiter in der Haupt- und 21 000 in der Bezirksverwaltung zu korrigieren. SPD-Senatoren und Fraktion sollen dazu mit der CDU Verhandlungen aufnehmen. Dann müssten die Bezirke nur noch 457 Arbeitsplätze abbauen. Sie hätten bereits deutlich mehr zum Personalabbau beigetragen als die Hauptverwaltung, so der Initiator, BVV-Fraktionschef Andy Hehmke. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Rekommunalisierung von Leistungen würden ausgerechnet jene Bezirke benachteiligt, die in der Vergangenheit weniger auf die Fremdvergabe von Aufgaben gesetzt haben.

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