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Senatsanfragen: Von Hirschen und Dadaisten

Abgeordnete haben ein Fragerecht und wollen vom Senat auch vieles wissen. Die Verwaltungen antworten – oft mit unverhältnismäßig großem Aufwand. Und einige Anfragen sind schlichtweg abseitig.

Von Sabine Beikler

Das musste Walter Momper zweimal lesen: „Was drüdelt den Pfropf? Wenn nein: Warum nicht?“ Diese Kleine Anfrage richtete der Grünen-Abgeordnete Michael Schäfer im Mai 2009 an den Senat. Humorig wollte Schäfer den Senat anregen, den Berliner Künstler und Dadaisten George Grosz anlässlich des 50. Todestages zu würdigen. Parlamentspräsident Momper schrieb Schäfer freundlich zurück, dass er das Ansinnen befürworte, den „Inhalt der Fragestellung“ aber nicht für geeignet halte. Laut Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses darf jeder Parlamentarier über Vorgänge vom Senat Auskunft verlangen. Das ist parlamentarisches Recht. Nur gibt es aber auch Anfragen, die den Rahmen sprengen, provokant oder schlichtweg abseitig sind.

Einer Tierpark-Besucherin, die sich als „ehrenamtliche Betreuerin“ bezeichnete, wurde 2005 der Zutritt zum Hirsch-Gehege versagt. Der Grund: Die Frau hatte dem Hirschen zunächst nur Gedichte gewidmet. Dann begann sie vor dem Gehege des Weißlippenhirsches Diego zu tanzen. Diego machte das nervös. Daraufhin erhielt die Frau Zutrittsverbot. Der Linke-Abgeordnete Gernot Klemm wollte damals von der für Zoo und Tierpark zuständigen Finanzverwaltung wissen: Wurde der Weißlippenhirsch, abgesehen von einer zeitweiligen Haltung mit einem Zwergwapiti, isoliert gehalten? Und warum darf das Tier von ehrenamtlichen Betreuern nicht mehr besucht werden?

Die Finanzverwaltung antwortete, dass der Weißlippenhirsch Diego nicht nur zeitweilig, sondern ständig mit dem Zwergwapiti zusammenlebt. Es handele sich bei den zwei Hirschen um überzählige Männchen. Ehrenamtliche Betreuer habe es nie gegeben, lediglich eine Besucherin, die das Tier aufgrund ihres Verhaltens nicht mehr sehen dürfe. Daniel Abbou, Sprecher der Finanzverwaltung, sagt diplomatisch: „Ein Teil unseres Gehaltes ist Schmerzensgeld, um manche sinnfreie Anfrage zu beantworten.“

Seit Beginn dieser Legislaturperiode stellten Abgeordnete 4478 Anfragen, davon entfielen 1636 auf die CDU, gefolgt von den Grünen (1313), der FDP (814), den Linken (443) und der SPD (272). Eingereicht werden sie beim Präsidium. Bis auf die Anfrage des Grünen-Politikers Schäfer hat Momper alle Anfragen zugelassen. Das können Sachverhalte sein, bei denen etwas schiefgelaufen ist. Das will der Abgeordnete schriftlich dokumentieren. Anfragen können auch Anfangsrecherchen betreffen. Bürger wiederum wenden sich mit Anliegen an Abgeordnete. Und manche Parlamentarier versuchen, mit ihren Anfragen auch ihre parlamentarische Daseinsberechtigung im Kreisverband zu beweisen: Sie wollen ja wieder nominiert und gewählt werden.

Die Senatsverwaltungen haben zwei Wochen Zeit, Anfragen schriftlich zu beantworten. Doch teilweise steht der Aufwand in keinem Verhältnis zur Antwort. Der CDU-Abgeordnete Andreas Statzkowski wollte beispielsweise wissen, wie viele Computer mit Internet die öffentlichen Bibliotheken in Berlin haben, aufgelistet je nach Bibliothek und Bezirk. Die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling wollte wissen, wie viele Hunde in 2009 Menschen angesprungen oder gebissen haben. Die Senatsgesundheitsverwaltung stellte eine lange Liste mit Vorfällen aller Hunderassen zusammen, sah sich verständlicherweise aber nicht in der Lage, eine Differenzierung zwischen Anspringen und Beißen darzustellen.

Die meisten Anfragen hat die Bildungsverwaltung zu bewältigen. In diesem Jahr waren es 25 Prozent der bisher gestellten 670 Anfragen. Oft muss die Verwaltung von SPD-Senator Jürgen Zöllner zur Beantwortung angemahnt werden. „Wir bemühen uns, die Fragen zügig zu beantworten. Doch müssen andere Verwaltungen oft mitzeichnen“, sagt Staatssekretärin Claudia Zinke. Auch die Bildungsverwaltung sieht sich konfrontiert mit Fragekomplexen und diversen Unterpunkten. „Häufig müssen wir dann auch noch bei den Bezirken nachfragen“, sagt Zinke.

Einige Abgeordnete verfolgen offenbar nicht aktuelle politische Prozesse oder die Berichterstattung darüber. So wollte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram über den Stand des Integrationsgesetzes informiert werden. Die Antwort der Sozialverwaltung spiegelt den bereits bekannten Sachstand wider. Über die Personalausstattung für Ordnungsämter und Kinderschutz wollte die CDU-Abgeordnete Monika Thamm Auskunft. Die Finanzverwaltung wies auf alle entsprechenden Drucksachen, Plenar- und Ausschussprotokolle hin, die in der elektronischen Parlamentsdokumentation des Abgeordnetenhauses für jedermann zugänglich sind. Die Verwaltung beantwortete die Anfrage trotzdem umfassend und gestattete sich eingangs den Hinweis, dass auch Recherchen zu nachfolgenden Ergebnissen führen würden. Sabine Beikler

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