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Berlin: Senatsbaudirektor Hans Stimmann im Interview

Er äußert sich zur Amerikanisierung des Potsdamer Platz und über Ideen für Schlossplatz und AlexHans Stimmann ist seit Anfang des Jahres wieder Senatsbaudirektor unter dem neuen Senator für Bauen und Stadtentwicklung, Peter Strieder. Der gebürtige Lübecker, der in Frankfurt studiert und in Berlin promoviert und als Stadtplaner gearbeitet hat, hatte dieses Amt schon einmal von 1991 bis 1995 bekleidet.

Er äußert sich zur Amerikanisierung des Potsdamer Platz und über Ideen für Schlossplatz und Alex

Hans Stimmann ist seit Anfang des Jahres wieder Senatsbaudirektor unter dem neuen Senator für Bauen und Stadtentwicklung, Peter Strieder. Der gebürtige Lübecker, der in Frankfurt studiert und in Berlin promoviert und als Stadtplaner gearbeitet hat, hatte dieses Amt schon einmal von 1991 bis 1995 bekleidet. 1996 wechselte er, bedingt durch die Übernahme des Bauressorts durch die CDU, in die Stadtentwicklungsverwaltung. Der Sozialdemokrat wurde in Berlin bekannt durch die von ihm propagierte "Kritische Rekonstruktion"; die Bewahrung und Wiedergewinnung der europäischen Stadt mit ihren traditionellen städtebaulichen Strukturen und Materialien, aber im Gewand moderner Architektur. Mit Stimmann sprach Eva Schweitzer.

Herr Stimmann, was für ein Gebäude wird in zehn Jahren auf dem Schlossplatz stehen?

Ich hoffe, dort wird ein Haus mit einer staatlichen und kulturellen Nutzung in Bau sein, das ich mir auch als Schloss vorstellen kann, wenn die denkmalwerten Teile des Palastes erhalten bleiben. Aber das Schloss wieder zu errichten, das wäre kein Investorenprojekt wie am Potsdamer Platz, sondern das ähnelte einem Forschungsvorhaben. So etwas kann nicht vom Senatsbaudirektor oder vom Bundeskanzler angeordnet werden. Das kann nur geschehen wie bei der Dresdner Frauenkirche: Als ein gesellschaftliches Unterfangen. Und das braucht sehr viel Zeit, Recherchearbeit und Handwerk. Aber es gäbe dabei auch einen Lernprozess, und die praktische Arbeit versöhnte die gespaltene Öffentlichkeit.

Wie sollte dieses Schloss genutzt werden? Wie eine Art Berliner Centre Pompidou?

Das, was das Centre Pompidou mit seiner Galerie für moderne Kunst, seiner Bibliothek und so fort darstellt, haben wir bereits im Kulturforum. Für den Schlossplatz brauchen wir eine andere, dem Ort angemessene, kulturelle Nutzung. Was ich für unerträglich halte, wäre eine Schlossfassade, hinter der sich Büros oder ein Hotel verbergen. Das wäre wirklich Disneyland.

Welcher Wettbewerb steht als nächster an?

Wir wollen noch in diesem Jahr einen städtebaulichen Wettbewerb für das Areal um die Marienkirche ausloben, wobei der größte Teil grün bleiben soll. Dabei stellen sich Fragen: Falls das Schloss rekonstruiert wird, wird dann der Neptunbrunnen, der früher auf dem Schlossplatz stand, wieder dorthin gebracht? Was geschieht dann mit dem Platz zwischen Rathaus und Marienkirche? Braucht das Rathaus ein Gegenüber? Und: Die Marienkirche steht mehrere Meter unter dem Niveau des Pflasters. Wie gestaltet man die Umgebung einer gotischen Kirche, so dass sie ihre Würde wieder erhält?

Warum ist dieser Ort so wichtig?

Im Unterschied zu dem Schloss, das ja der alte Ort des Staates ist, ist der Rathausplatz der Ort Berlins, der Stadt. Die Marienkirche, die Nikolaikirche, das Rote Rathaus, das ist die Stadt Berlin. Am meisten liegt mir das Graue Kloster am Herzen, die Ruine der Klosterkirche. Ich verstehe nicht, wie wir diesen traurigen Zustand überhaupt ertragen, dass dieses wunderbare Franziskaner-Kloster so unbeachtet an der Grunerstraße, an dieser Autobahn, steht.

Was wird in den nächsten fünf Jahren der Schwerpunkt Ihrer Arbeit sein?

Das Planwerk Innenstadt muss jetzt zum Leben erweckt werden. Dazu gehört, dass zwischen Spittelmarkt und Ostbahnhof die überbreiten Straßen auf zwei- bis dreispurig zurückgebaut werden.

Es werden aber auch Grünflächen bebaut. Ihnen ist deshalb vorgeworfen worden, dass Sie damit Lebensqualität verringern

Sie reden vom Friedrichswerder. Aber wir wollen dort nicht nur Beton, am Friedrichswerder soll ein Wohnquartier aus schönen Häusern und grünen Plätzen entstehen.

Was passiert am Alexanderplatz?

Hier werden die Hochhäuser nach dem städtebaulichen Wettbewerb von 1993 entstehen. Nach dem Vertrag, den wir mit den Investoren geschlossen haben, soll nächstes Jahr mit dem Tiefbau begonnen werden, ab 2004 mit dem Hochbau. Als erstes wird das Wohnhochhaus auf dem DeGeWo-Grundstück in Bau gehen.

Werden tatsächlich Hochhäuser errichtet oder nur die zugehörigen Sockelgeschosse?

Wenn der Grundeigentümer ein Haus errichtet, ist es dessen Sache, wenn er nur ein Drittel des Baurechts in Anspruch nimmt.

Mit dem höheren Baurecht steigen allerdings auch die Grundstückspreise.

Wir sind ja keine Behörde, die Bewegung unterbindet, im Gegenteil, wir entwickeln Stadt. Wenn der Senat sagt, es soll etwas derart Außergewöhnliches gebaut werden, steigen die Bodenpreise. Das ist normal.

Gibt es überhaupt Nachfrage nach Büros?

Die Welt funktioniert doch nicht so, dass die Entscheidung erst getroffen wird, wenn die Nachfrage da ist. Bauen geschieht in Erwartung einer Nachfrage. Ob die realistisch ist, wird in der Wirklichkeit gecheckt.

und von den Banken.

Natürlich müssen die Banken das finanzieren, sonst geschieht gar nichts. Aber am Alexanderplatz gibt es ein großes Misstrauen gegenüber der Planung. Am Potsdamer Platz - der vor zehn Jahren noch leer war -, war das ganz anders. Am Alexanderplatz wird immer alles in Frage gestellt.

Ein Grund für den Widerstand gegen die Pläne am Alex ist, dass mit den Bodenwertsteigerungen auch die Mieten steigen.

Deshalb wurde die Spandauer Vorstadt auch als Sanierungsgebiet ausgewiesen. Aber dieser Widerstand hat eher psychologische Wurzeln. Der Alexanderplatz liegt im Osten, mit 1,3 Millionen Einwohnern im Einzugsgebiet. Und die Investoren schauen meist mit Westaugen auf die Stadt. Die Abwehrschlacht ist eine von Anwohnern, deren Sprecher größtenteils PDS-Politiker sind. Die betrachten jede Veränderung am Alexanderplatz als einen Verlust ihrer Identität. Und diese Blockade muss man überwinden.

Sie haben früher auch den Potsdamer Platz kritisiert, insbesondere Sony, aber auch die Einkaufspassage auf dem Daimler-Areal...

Mit dieser Mall habe ich meinen Frieden gemacht. Sie trägt dazu bei, die Gegend zu beleben. Aber das Sony-Gebäude ordnet sich sehr schwer in das Stadtgewebe ein. Sony operiert zwar mit dem Vokabular der Stadt, es interpretiert das Thema der Passagen, das ebenfalls ein Stück Halböffentlichkeit darstellt. Aber Sony ist viel autistischer.

Sony wird als Amerikanisierung von Berlin betrachtet, übrigens auch die geplanten Hochhäuser am Alexanderplatz.

Amerikanisierung an sich ist ja nicht schlecht. Das Rockefeller Center in New York ist ein Beispiel für guten Städtebau. Wovor wir warnen, ist das Ausbluten der Städte, wie es in den fünfziger bis siebziger Jahren in den USA geschah. Dafür steht der Potsdamer Platz aber nun gerade nicht.

Auch in den USA geht der Trend zurück in die Stadt. Dort können sich ärmere Leute die Innenstadt nun nicht mehr leisten.

In Berlin haben wir ganz andere Verhältnisse, zum Beispiel einen guten Mieterschutz und, gerade in Mitte, sozialen Wohnungsbau. Deshalb kann das hier nicht passieren.

Apropos Amerikanisierung: Wie ist derzeit der Stand bei der US-Botschaft?

Die Position des Senats ist: Wir akzeptieren die Sicherheitsansprüche, aber das geht nicht in dem Ausmaß auf öffentlichem Straßenland, wie die Amerikaner dies brauchen. Deshalb muss ein Teil der Sicherheitszone auf dem Grundstück selbst verwirklicht werden. Die Botschaft könnte höher gebaut werden, das Baurecht lässt das zu. Aber die Architektur planen nicht wir, sondern die von den Amerikanern ausgesuchten Architekten Moore, Ruble und Yuddel.

Wird deren postmoderner Entwurf zum annähernd historischen Pariser Platz passen?

Er befindet sich innerhalb der Variationsbreite, die wir hier gewollt haben. Es ist ein Stil, der dem amerikanischer Verwaltungsgebäude entspricht. So sehen auch Gerichtsgebäude dort aus, dieser helle Stein mit aufgesetzten Dächern und Säulen. Es ist übrigens ein Phänomen, dass wir in Deutschland keinen eigenständigen Stil für Regierungsgebäude haben. Axel Schultes mit seinem neuen Bundeskanzleramt ist einer der wenigen Architekten, die darum ringen.

Der Architekt Daniel Libeskind hat Ihnen vorgeworfen, an der Friedrichstraße könne man erkennen, dass Ihre kritische Rekonstruktion gescheitert sei.

Von Libeskind habe ich noch keinen neuen Gedanken zum Thema Berlin in den letzten sieben Jahren gehört. Er findet den Grundansatz schlecht, deshalb findet er alles schlecht. Was will man dazu sagen? Aber tatsächlich hat die Friedrichstraße sehr an Leben gewonnen.

Verloren hingegen hat die Gegend am Zoo. Wann geschieht dort etwas?

Dort sollen zwei Hochhäuser entstehen; auf dem Kibek-Grundstück und auf dem des Schimmelpfenghauses; der Tunnel an der Budapester Straße wird zugeschüttet. Wir befürchten allerdings, dass der Ort kein so guter Bürostandort ist. Deshalb sagt Senator Strieder, dass wir den Abriss des Schimmelpfenghauses erst genehmigen, wenn der Bauherr verbindlich erklärt, dass er anfängt.

Wird sich die Baupolitik der zusammengelegten "Mammutbehörde" von der bisherigen Tätigkeit unterscheiden?

Die Senatsbauverwaltung alten Typs und die Magistratsbauverwaltung im Osten waren bauende Behörden für den Staat. Sie haben vor allem sozialen Wohnungsbau für hunderttausende von Industriearbeitern finanziert, die nach Berlin zuwanderten. Das waren 20 000, 25 000 Wohnungen pro Jahr, die Hufeisensiedlung, das Hansaviertel, die Gropiusstadt, das Märkische Viertel, die Stalinallee, Hellersdorf, das Berlin, das wir kennen. Aber jetzt wächst Berlin nicht mehr als Industriestadt. Jetzt brauchen wir als Einwanderer - wenn überhaupt - gut ausgebildete Dienstleister. Deshalb ist diese Art von Stadtentwicklung, die sich fast ausschließlich auf den sozialen Wohnungsbau stützt, zu Ende. Statt dessen wird der Senat nun Eigentumswohnungen fördern.

Teilen Sie die Hoffnung, dass Berlin nun eine Metropole wie London oder Paris wird?

So lange wir noch darüber reden, spielen wir im Mittelfeld. Nur, was die Architektur angeht, sind wir bereits in der Champions League. Aber ich glaube, Berlin wird sich ganz wunderbar entwickeln. Ich bin da überhaupt nicht pessimistisch.

Herr Stimmann[was für ein Gebäude wird]

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