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Über Nacht ist die Insel im Senftenberger See, der in einem ehemaligen Tagebaugebiet entstand, versunken.

© . Foto: Steffen Rasche/dpa

Senftenberger See in Brandenburg: Inselschwund durch Schweine

Das Getrampel einer Wildschweinrotte soll Insel im Senftenberger See ins Rutschen gebracht haben. Jetzt ist der gesamte der Uferbereich gesperrt.

Von Sandra Dassler

„Sauerei“ titelte die örtliche Zeitung – und ganz so abwegig war das gar nicht. Denn die gefährliche Rutschung des Großteils einer Insel im Senftenberger See vor zwei Wochen soll durch das Getrampel einer Rotte Wildschweine ausgelöst worden sein. Das bestätigte der Präsident des Brandenburger Landesbergamtes, Hans-Georg Thiem, dem Tagesspiegel: „Jedenfalls könnte das laut Gutachten eines Sachverständigen für Geotechnik die Ursache sein. Da die Insel aus Naturschutzgründen für Menschen gesperrt ist und viele Wildschweine dort leben, liegt das nahe.“ Dass die Rotte von Wölfen aufgeschreckt und in Panik versetzt worden sei, wollte Thiem allerdings nicht bestätigen.

Bei der Rutschung vor zwei Wochen war ein ziemlich großes Stück im Ausmaß von etwa 200 mal 250 Meter der insgesamt 347 Hektar großen Insel in den Senftenberger See gerutscht. Der war schon zu DDR-Zeiten aus dem Tagebau Niemtsch entstanden. Die Insel hatte man einfach stehen lassen, sie durfte allerdings aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich dort deshalb auch seltene Pflanzen wie der Europäische Strandling.

Historischer Wassertiefstand durch anhaltende Trockenheit

Bereits im Frühjahr dieses Jahres hatten Experten der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), die für die Sanierung der alten Tagebaue zuständig ist, Rutschungen der Insel – im Fachjargon Setzungsfließen genannt – befürchtet. Bei den regelmäßigen Kontrollen entdeckte man Untiefen, also Sandbänke. Experten führten das auf die heftigen Stürme im Jahr 2017 zurück, durch die das Eiland regelrecht unterspült wurde. Daraufhin waren die Sperrbereiche für Boote und Surfer rund um die Insel vergrößert worden.

Durch die mehrere Monate – und eigentlich immer noch – anhaltende Trockenheit in der Niederlausitz wurde die Situation weiter verschärft: Der Wasserstand fiel auf 97,93 Meter über Normalhöhennull (NHN); das ist ein historischer Tiefstand, weil das Wasser normalerweise bis zu 99 Metern angestaut werden kann. Laut Landesumweltamt darf der See, der eigentlich ein Spreicherbecken für die Schwarze Elster ist, bis zu einem Stand von 97,70 Meter über NHN noch Wasser an den Fluss abgeben. Weil die Schwarze Elster in diesem Jahr fast zu versiegen drohte mit der Folge eines Fisch- und Pflanzensterbens und allen anderen Komplikationen, näherte man sich dieser Grenze anders als sonst einige Zeit lang an. Da bedurfte es offenbar nur noch einer Horde Wildschweine, um alles ins Rutschen zu bringen.

Gesamter Uferbereich als Sperrgebiet

Nun aber hat es endlich geregnet. Zwar nicht so viel in der Niederlausitz, dafür umso mehr am Oberlauf der Schwarzen Elster in Sachsen, sagt Thomas Frey, der Sprecher des brandenburgischen Landesumweltamtes: „Die Schwarze Elster führt dank der Hilfe von oben wieder mehr Wasser. Seit Mittwochmorgen gibt der Senftenberger See deshalb keines mehr ab. Zugleich erhält er selbst Zulauf von drei benachbarten neuen Tagebauseen. Das sollte die Situation entschärfen.“ Das sieht auch Landesbergamtspräsident Thiem so. „Wir müssen so schnell wie möglich wieder einen höheren Wasserstand erreichen, um die geotechnische Sicherheit zu verbessern.“ Am Mittwochabend berieten Experten über die Lage – auch unter dem Druck der vielen Einrichtungen, die vom Tourismus am Senftenberger See leben: Gastronomen, Hoteliers, Campingplatz- und Surfschulenbetreiber. Sogar die IHK Cottbus hatte ihre Bedenken angemeldet und eine rasche Aufhebung der Sperrungen gefordert.

Doch die Situation ist wohl ernster als gedacht. Nach der Beratung gab das Landesbergamt bekannt, dass die Sperrbereiche sogar noch ausgedehnt würden – und zwar auf den gesamten Uferbereich. Ausgenommen sind nur der Radweg und gastronomische Einrichtungen. Die Schiffseigentümer können an den Oktoberwochenenden ihre Boote einholen und sichern, müssen dabei aber strenge Verhaltensregeln beachten. Ein von der LMBV beauftragter Experte wird nun weitere Untersuchungen vornehmen, Mitte Oktober werden sich die Verantwortlichen zu einer erneuten Beratung treffen.

Nicht alle glauben an Wildschweine

Sicherheit geht vor, heißt es bei allen beteiligten Behörden, und da den meisten Menschen noch die verheerende Rutschung in Nachterstedt (Sachsen-Anhalt) mit mehreren Toten in Erinnerung ist, gibt es dafür auch Verständnis. Die IHK hat ihre Forderung modifiziert und eine Aufhebung der Sperrung spätestens zu Saisonbeginn 2019 gefordert. Davon gehe man aus, heißt es in der Mitteilung des Landesbergamts.

Die Betroffenen sind allerdings skeptisch, ob ihre Gäste angesichts der unsicheren Lage ihren Urlaub am Senftenberger See wie gewohnt buchen. „Wer ersetzt uns den Schaden?“, fragt ein Hotelier: „Das Land? Das Bergamt? Die LMBV?“ Er glaube nicht an die Theorie von den Wildschweinen. Zwar seien diese – genau wie Wölfe – gute Schwimmer und könnten durchaus auf die Insel gelangen. Aber dass eine Rutschung bevorstehe, habe man schon im Frühjahr vermuten können, als sich lange Sandbänke bildeten. Dass man darauf nicht schneller reagiert habe, sagt er, „das ist die wahre Sauerei“.

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