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Ein ältere Frau im Rollstuhl in einem Pflegeheim (Symbolbild).

© dpa/Marcel Kusch

Update

Senioren-WG erreichte Gesundheitsamt nicht: Zwei Tote nach Corona-Ausbruch in Pflegeeinrichtung in Berlin-Mitte

Die Zahl der Corona-Fälle in Berliner Pflegeeinrichtungen ist drastisch gestiegen. Eine Pflege-WG in Mitte macht dem Gesundheitsamt schwere Vorwürfe.

Mitte ist Corona-Hotspot – ist das Gesundheitsamt dieser Situation gewachsen oder mittlerweile heillos überfordert? Ein gerade bekannt gewordener Fall lässt Zweifel aufkommen: Mitte November hatten sich neun Personen in einer Pflege-Wohngemeinschaft im Bezirk mit dem Coronavirus infiziert. Als die Heimleitung dies dem Gesundheitsamt melden wollte, war dort tagelang niemand erreichbar.

Schließlich ließ sie die Wohngemeinschaft selbst mit Hilfe der Feuerwehr evakuieren. Der RBB hatte zuerst darüber berichtet. Das Bezirksamt hat den Vorfall auf Nachfrage des Tagesspiegels bestätigt.

Als „eine Woche des Horrors“ schilderte die Pflegedienstleitung dem RBB den Vorfall. Sechs Tage lange habe man beim Gesundheitsamt angerufen – ohne Erfolg. Auch Angestellte seien infiziert gewesen.

Der zuständige Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD) bedauert den Vorfall. Dieser habe sicherlich ernsthafte Folgen für die Menschen in der Pflege-WG. In der Tat sei die Hotline des Gesundheitsamtes momentan überlastet und schwer zu erreichen. Normalerweise würden sich Pflegeeinrichtungen aber direkt an ihn wenden oder Corona-Fälle per Mail, Fax oder ein spezielles Kontaktformular melden. Dies sei in diesem Fall nicht geschehen.

Zwei Menschen sind inzwischen an den Folgen ihrer Corona-Infektion verstorben, teilte das Bezirksamt am Montag mit. Insgesamt wohnten sieben Menschen in der Einrichtung, bis auf zwei waren alle infiziert. Das Gesundheitsamt wolle nun prüfen, wie sich das Virus dort so schnell ausbreiten konnte.

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Der Fall zeige, wie wichtig eine rasche Kontaktaufnahme zum Gesundheitsamt sei. Deshalb will das Bezirksamt Mitte nun eine zusätzliche Leitung nur für Pflegeeinrichtungen einrichten und ein Infoblatt an alle Einrichtungen verschicken. Denn wer bisher die Homepage des Gesundheitsamtes aufrief, sah dort nur die Nummer der Hotline. Erst jetzt wurde ein Info-Kasten für Pflegeeinrichtungen und Schulen ergänzt.

84 Neuinfektionen und sechs Todesfälle an einem Tag

„Ein wenig spät“, findet das der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses in Mitte Rüdiger Lötzer (Linke). Es sei bedauerlich, dass es nicht schon früher bessere Kontaktmöglichkeiten gegeben habe. Zumal der Schutz von Risikopatientinnen und Patienten wie in der Pflege-WG gerade Priorität habe.

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Wie dramatisch die Lage in den Pflegeheimen momentan ist, zeigt ein Rundschreiben der Senatsverwaltung, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die Zahl der infizierten Heimbewohner ist seit Ende Oktober drastisch gestiegen.

Berlinweit waren (Stand 14. November) 699 Bewohnerinnen und Bewohner in 212 Pflegeeinrichtungen infiziert. Zudem hatten zum selben Zeitpunkt 355 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Virus. Innerhalb eines Tages gab es 84 Neuinfektionen und sechs Todesfälle.

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