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SERIE BERLINER Chronik: 18. September 1990 Die Doppelregierung entsteht –

der „Magisenat“ geht in die Annalen ein

JAHRE

EINHEIT

Noch 15 Tage bis zur Einheit. Dann gibt es nur noch ein Berlin, allerdings fürs erste mit einer Doppelregierung. So steht es im deutsch-deutschen Einigungsvertrag, Senat und Magistrat sind mehr für Vereinigung der Stadt als für Beitritt. Schon seit Monaten sprechen sie möglichst mit einer Stimme, aber vom 3. Oktober bis zur Bildung des Gesamtberliner Senats müssen sie es tun, dann sind sie offiziell „die Landesregierung“.

Nun beschließen sie den Handlungsrahmen dieser beispiellosen Doppelregierung, sie wird als Magisenat in die Annalen eingehen. Zwar bleibt es bis zur Konstituierung des Gesamtberliner Parlaments nach der Wahl am 2. Dezember bei zwei Verfassungen und bei zwei Stadtparlamenten, die getrennt tagen, aber entschieden wird ausnahmslos einvernehmlich für die ganze Stadt. Am Kabinettstisch sitzen 15 Mitglieder des rot-schwarzen Magistrats und 14 des rot-grünen Senats. Der Regierende Bürgermeister Walter Momper und Oberbürgermeister Tino Schwierzina (beide SPD) leiten die Sitzungen gemeinsam und geben ihre Stimmen einheitlich ab.

Schwierzina erhält per 3. Oktober Sitz und Stimme im Bundesrat, als erster Ostdeutscher (die Ost-Länder werden erst mit den Landtagswahlen am 14. Oktober gebildet). Dafür scheidet Sozialsenatorin und Bürgermeisterin Ingrid Stahmer aus der Länderkammer aus, der neben Momper und Schwierzina noch Bundessenatorin Heide Pfarr und Frauensenatorin Anne Klein angehören.

Kopfzerbrechen bereitet das Zusammenfügen der Verwaltung. Überzähliges Personal Ost wird mit 70 Prozent der Bezüge für sechs Monate in den Wartestand geschickt, mit der Aussicht auf Umschulung oder Entlassung. Justiz und Polizei Ost-Berlins, bisher unter der Hoheit der DDR-Regierung, werden dem Justiz- und dem Innensenator unterstellt. Noch versichern Innensenator Erich Pätzold und sein Magistratskollege Thomas Krüger, man wolle die schwierige Arbeitsmarktlage nicht durch „rigide Beschäftigungspolitik“ verschärfen. Bald aber wird die „Warteschleife“ zum Begriff. Der Umzug des Regierenden Bürgermeisters vom Schöneberger ins Rote Rathaus hat Zeit, bis es instandgesetzt ist. West-Bedienstete reißen sich sowieso nicht um Abordnung in den Osten; sie hätten dann nur noch ein Jahr Anspruch auf die steuerfreie Berlin-Zulage, immerhin acht Prozent zum Bruttoverdienst. Brigitte Grunert

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