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Das blühende Leben. Manfred Entemann bepflanzt in Marzahn alle Blumenbehälter, die vor den Gärten der einzelnen Nationen stehen – zur Begrüßung der Besucher. Ein floraler Wegweiser: Entemann mixt die Pflanzen so geschickt nach Farbe, Höhe Blattgestalt und Ausdruck, dass sie die Besonderheiten des dazugehörigen Gartens ausdrücken.

© Kitty Kleist-Heinrich

Serie Berliner Pflanzen: Blumige Ouvertüren: Die schönsten öffentlichen Gärten der Stadt

Manfred Entemann ist der Kübelpflanzen-Künstler der Marzahner Gärten der Welt. Seine Arrangements sind Abbilder der Anlage in kniehohen Terrakottatöpfen.

Manchmal gehört es zu Manfred Entemanns Job, in Gedanken in ferne Gegenden zu reisen, beispielsweise zum Indischen Ozean. Im Frühjahr war das so. Seine Fantasie entführte ihn nach Bali, danach war er in der richtigen Stimmung, um mitten in Marzahn, in den Gärten der Welt, fünf kleine tropische Paradiese zu schaffen. Jedes von ihnen hat genug Platz in einem kniehohen Terrakottagefäß.

Die fünf Behälter des 54-jährigen Gartenbauingenieurs und Experten für die Gestaltung von Pflanzkübeln stehen im Freien vor dem Gewächshaus des Bali-Gartens. Sie stimmen die Besucher auf Exotik und Farben ein, aus denen balinesische Träume sind: blaues Meer, gelbe Sonne, weißer Strand. Beim Bepflanzen musste Manfred Entemann allerdings ein kleines gärtnerisches Kunststück vollbringen: Gewächse, die sich in der Wärme und hohen Luftfeuchtigkeit des Glashauses wohlfühlen wie der üppige Hibiskus hätten die Berliner Witterung nicht vertragen. Also arrangierte er europäische Pflanzen so geschickt, dass sie die gleiche exotische Wirkung haben.

Schwere lederne Schuhe, grüne Latzhose: Manfred Entemann versteht sich als Handwerker. Seinen Händen, den Schwielen an den Fingern, sieht man die Arbeit mit Erdreich an. Seine Kollegen sagen, der Mann sei ein Gartenkünstler. „Das hier ist Zyperngras“, sagt der Künstler vor einem Kübel am Bali-Gewächshaus und streicht über zartgrüne Stengel. Kombiniert hat er das Gras mit weißblühender Schmuckchristrose, gelbem Ginster, Vergissmeinnicht, mit weißblättrigem Harfenstrauch und einem kleinwüchsigen Exoten unter den einheimischen Protagonisten, dem kriechenden Gummibaum. Der rankt mächtig über den Gefäßrand hinaus. Man muss Experimente wagen, sagt Manfred Entemann. Nullachtfünfzehn-Kübel mit Stiefmütterchen und Gänseblümchen sind für ihn „die große Langeweile“.

Schon als Knirps war er Gärtner. Auf Fotos steht er mit Blechgießkanne im Spandauer Garten seiner Eltern und wässert bunte Blumen. Er lernte Landschaftsgärtner, studierte Gartenbau in Dahlem, gründete 1983 seinen eigenen Gartenbaubetrieb und war an der Gestaltung mehrerer Landes- und Bundesgartenschauen beteiligt – 1985 auch im Britzer Garten. Seit etlichen Jahren ist Entemanns Firma in den Gärten der Welt für vielerlei Sonderaufgaben engagiert. Zurzeit kümmert er sich vor allem um die Blumenkübel.

Die Pracht soll zwei bis drei Monate lang erhalten bleiben

Die, sagt er, sollen überraschen. Entemann streicht sich über die blonden Haare und überlegt einen Moment. „Ich wünsche mir, dass die Leute staunend stehen bleiben.“ Das gelingt schon am Haupteingang, wo er in sieben Pflanzgefäßen ein Feuerwerk aus farbigen Blättern und Blüten entfacht. Seine Begrüßungskübel sollen die Leute neugierig machen auf die Vielfalt der internationalen Gartenkünste und -philosophien auf dem 21 Hektar großen Marzahner Parkgelände.

Gleich hinter der Kasse geht er vor seinen Gefäßen in die Knie. Hier lässt sich gut erklären, weshalb er Wert darauf legt, „raumbildend zu bepflanzen“. Mit den Händen zeigt er die verschiedenen Ebenen an. Unten bilden Pupurglöckchen ein rotes Polster, blaue Hyazinthen wachsen darüber hinaus, überragt von Narzissen und Ginster. Wüchse alles nur in einer Dimension, wäre der Effekt dahin.

Natürlich soll auch ständig etwas am Blühen sein, am besten ergänzt durch Pflanzen mit schön gezeichneten Blättern. Außerdem soll die Pracht zwei bis drei Monate lang erhalten bleiben, so lange, bis Entemanns Team die Frühjahrsbepflanzung auswechselt und Sommerblumen in die Kübel setzt. Und bei alledem muss er sich an den Farben und Vorlieben höchst unterschiedlicher Gartenkulturen orientieren. Denn seine Kübel schmücken die Entreés der einzelnen Gärten. Sie spiegeln im Kleinen wider, was die Besucher dort erwartet. Deshalb hat er sich vor dem Chinesischen Garten für Gräser und weiße Alpenveilchen entschieden. „Die Chinesen mögen es nicht so bunt“, sagt Entemann. Wenn er durch deren grüne Oase spaziere, spüre er die Sehnsucht nach Ruhe und Disziplin.

Ganz anders ging er im Orient-Garten vor, denn der schwelgt in Sinnlichkeit. Da gibt es Palmen, Feuerlilien, die Kronprinzessin Margarethe Rose, Wasserspiele und glänzende Mosaike. Manfred Entemann nahm sich zurück: Er bepflanzte seine Kübel schlicht einfarbig.

Manchmal, in Arbeitspausen, streift er durch die Gärten, genießt die Sichtachsen der blühenden Landschaften, die Harmonie der Beete. Dann verursacht ihm die Vorstellung, er müsste im Büro arbeiten, Gänsehaut. „Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich wieder Gärtner – und das nächste Mal auch noch“, hat der berühmte Staudenzüchter Karl Foerster gesagt. Für ein Leben sei dieser Beruf zu groß. Das ist Manfred Entemann aus der Seele gesprochen. Gelangweilt hat er sich in den Gärten der Welt noch nie.

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