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Emerald-Berlin-Gründerin Barbara Zeiss (links) mit Vanessa Meyer, Head of Creative & Onlineshop in dem Start-up.

© privat

Serie "Frauen in der Berliner Wirtschaft": Barbara Zeiss will mit Mode Gutes tun

Mit ihrem sozialen Start-up Emerald Berlin bringt die 35-Jährige Nichtregierungsorganisationen in die sozialen Medien.

Von Corinna Cerruti

Eine Arbeit mit Sinn finden, ein Herzensprojekt: Für Barbara Zeiss der entscheidende Gedanke, der sie ihr eigenes Unternehmen gründen lässt. Die 35-Jährige hat vor zwei Jahren Emerald Berlin ins Leben gerufen, ein soziales Start-Up, das Marketing für Nichtregierungsorganisationen (NGO) über Social Media-Influencer macht. Für jedes Projekt wird eine Kollektion an T-Shirts oder anderen Kleidungsstücken entworfen, die die Influencer über ihre Kanäle verbreiten, sodass die Projekte der NGOs mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Viele NGOs haben ein grundsätzliches Problem: Sie erreichen junge Leute nicht mehr. Zeiss erklärt, das Marketing sei oft veraltet und nicht ausreichend digitalisiert. „Denen bricht die junge Spenderschaft weg.“ Tatsächlich zeigen Erhebungen des Deutschen Spendenrates, dass in den vergangenen Jahren der Anteil der Spender der Generation 70plus konstant am höchsten liegt. Mit knapp 50 Prozent liegen sie dabei weit vor den anderen Altersgruppen. Der Anteil der Spender unter 39 Jahre geht zurück, die Anzahl der Spender insgesamt ebenso. Deswegen setzt die Unternehmerin auf neue Medien wie zum Beispiel Influencer, die über Instagram enorme Reichweiten erzielen und die sozialen Projekte der NGOs gezielt platzieren können. Zusätzlich berät Emerald Berlin soziale Organisationen und Unternehmen zu weiteren Modellen des digitalisierten Marketings.

Emerald Berlin geht auf Influencer zu und fragt sie nach einem sozialen Thema, dass ihnen zwar am Herzen liegt, sie aber noch nicht in ihrem Kanal untergebracht haben. „Dann suchen wir die passende NGO und machen den Match“, erklärt Zeiss weiter. „Wir überlegen gemeinsam mit dem Influencer, wie man das Thema angemessen umsetzen kann, sodass die Kollektion zu ihm oder ihr passt. Gemeinsam gestalten wir dann.“

Wenn die Organisation damit zufrieden ist, gibt es eine Projektseite bei uns, die die Influencer veröffentlichen und über befreundete Influencer weiter teilen. „So geben sie dem sozialen Projekt ein Gesicht.“ Die Kleidung stammt aus fairer und nachhaltiger Produktion und kann über den Online-Shop gekauft werden. Für die NGOs ist der Service kostenlos.

Im Sommer 2018 hatte sich Zeiss zur Gründung entschieden. Nach einem halben Jahr habe sie darüber nachgedacht, dass sie auf Investoren womöglich nicht sehr attraktiv wirke. „Ich bin eine Frau, ich habe Migrationshintergrund, ich habe alleine gegründet: ich erfülle praktisch die gesamte Liste von „Don’t do it“, schildert Zeiss. Sie sagt, statistisch gesehen, sei es für Frauen deutlich schwieriger, geeignete Investoren zu finden. Doch Hürden hat die 35-Jährige schon früh im Leben gemeistert.

Zeiss kam als Kind nach Deutschland

Als Kind ist die gebürtige Sizilianerin mit ihrer deutschen Mutter und ihrem Bruder nach Deutschland gekommen. Die Mutter hat neun Geschwister, die ebenfalls Menschen unterschiedlicher Herkunft geheiratet haben – eine bunte Familie. In der Schule gibt es zunächst Schwierigkeiten, sie sei nicht „angepasst genug“. Ihre Leistungen seien in den starren Strukturen nicht gesehen worden. Sie habe sich viel gelangweilt, erzählt Zeiss. Die Empfehlung der Lehrkräfte lautete Sonderschule. Die Eltern entscheiden sich für eine integrierte Gesamtschule. Dort ist ihr eine Lehrerin wohlgesonnen, fördert sie in ihren Stärken und lässt sie einfach sie selbst sein.

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Mode beschäftigt sie seit der Kindheit. „Mit fünf hatte ich mein erstes Kleid genäht. Wenn ich nähte, konnte ich kreativ sein und musste mich nicht anpassen“, sagt Zeiss. „Ich empfinde Mode als Ausdrucksform.“ Auf eine Ausbildung als Modedesignerin folgt ein Bachelor in BWL und ein berufsbegleitender Master in strategischem Marketing. Warum sie keine Karriere als Designerin wählte? „Ich fand den Einkaufsprozess spannender und mir hat das strategische Arbeiten Spaß gemacht." Das hätte ihr als Designerin auf Dauer gefehlt.

Barbara Zeiss (35) wurde auf der süditalienischen Insel Sizilien als Kind einer deutschen Mutter geboren und kam als Kind nach Deutschland.
Barbara Zeiss (35) wurde auf der süditalienischen Insel Sizilien als Kind einer deutschen Mutter geboren und kam als Kind nach Deutschland.

© privat

Während und nach dem Studium arbeitet Zeiss bei einer Unternehmensberatung für Textil. „Dabei ging es viel um die Frage, wie eine Kollektion für welche Zielgruppe gestaltet sein muss“, berichtet Zeiss. Ihre Inspirationen sah sie später im Laden hängen, ein gutes Gefühl. Nach dem Abschluss ist Zeiss zehn Jahre lang in der freien Wirtschaft tätig. Doch mit der Zeit fehlte ihr immer mehr der Sinn in ihrer Arbeit, der nachhaltige Nutzen. Eine eigene Firma zu gründen sah sie als einzige Chance, diesen Sinn zu finden.

Dann kam der US-Wahlkampf und der Slogan „Make America Great Again“. „Dieser Spruch ist uralt, aber Donald Trump hat es geschafft, ihn mit seiner Person zu verknüpfen und über T-Shirts und Caps präsent zu halten“, sagt Zeiss. Sie fand es beeindruckend, welche Rolle Kleidung in dem Wahlkampf gespielt hat. Trump als Präsidenten lehnt sie ab, doch sie stellte sich die Frage, wie man Mode für etwas Gutes einsetzen kann. Die Idee zu Emerald Berlin war geboren.

Also wagte sie den Sprung von einer Führungsposition in die Selbstständigkeit. Während der Gründung unterstützte sie eine Coachin, weniger fachlich, mehr mental. Die ersten sechs Monate waren hart: Von vielen Seiten habe sie gehört, als Frau sei es schwieriger zu gründen. Von Investoren gab es Absagen, für ein soziales Start-Up aber normal. Barbara Zeiss sagte zu sich selbst: „Das will ich machen, also muss ich einen Weg finden.“ Sie wollte Investoren von sich begeistern, die ihre Werte und Ziele teilen, und fand genau diese. Anderen Frauen rät sie, sich nicht kleinmachen zu lassen. „Überlegt, warum ihr gründen wollt. Wenn ihr eine Passion für euer Thema habt, macht es einfach!“, sagt Zeiss.
Lesetipps zum Thema: Weitere Teile unserer Serie über "Frauen in der Berliner Wirtschaft" finden Sie hier - über Susanne Schlösser, Gundula Fehmer, Andrea Ennen oder Leila Hamid. Bei der Initiative "Every Second Counts" nehmen Comedians aus aller Welt Trumps Slogan auf die Schippe.

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