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SERIE: Von Truman zu Rühmann Radpartie ins Umland

Die Villenkolonie Babelsberg am Griebnitzsee lohnt einen Ausflug – allein wegen ihrer Legenden.

Eine große Terrasse mit Blick ins Grüne, dazu Schatten spendende Buchen, Linden und Eichen sowie eine attraktive und fürsorgliche Hausherrin – mehr Inspiration brauchte der Schriftsteller offenbar nicht. Innerhalb weniger Wochen schrieb er 1942 das Drehbuch zum Erfolgsstreifen Baron Münchhausen mit Hans Albers in der Titelrolle. Der Name des Autors tauchte weder im Vor- noch im Abspann des Films auf. Erich Kästner, in der NS-Zeit wegen „kulturbolschewistischer Haltung“ mit Berufsverbot belegt, durfte mit einer Ausnahmegenehmigung des Reichspropagandaministers Goebbels arbeiten – unter dem Pseudonym „Berthold Bürger“. Der Entstehungsort des Drehbuchs liegt inmitten der Villenkolonie Babelsberg, zu der unsere Radtour durch den Südwesten Berlins und das angrenzende Umland führt.

Bei Kästners charmanter Gastgeberin handelte es sich um Ufa-Star Brigitte Horney, die im Münchhausen-Film die Rolle der Zarin Katharina II. übernahm. Ihre von Hermann Muthesius 1922 erbaute Villa steht am Johann-Strauß-Platz und gehörte bis 1938 dem jüdischen Textilunternehmer Fritz Gugenheim. Nach langem Streit zwischen dessen Erben und den Horney-Nachkommen und einer Besetzung durch Jugendliche nach der Wende steht das Haus in Privatbesitz nun wieder da wie zu Kästners Zeiten.

Überall stoßen Ausflügler im Villenviertel hinterm Griebnitzsee auf spannende Geschichte(n). Es lohnt sich, eine der Führungen des Potsdamer Tourismus-Service zu buchen und die Gegend zu Fuß oder per Rad zu erkunden. Im Gebiet zwischen Virchow- und Domstraße gibt es nur zwei Tafeln mit Hinweisen auf ehemalige prominente Bewohner. Die sind in der Karl-Marx-Straße an zwei der bekanntesten Häuser angebracht: der Stalin-Villa, Hausnummer 27 und der Truman-Villa, gleiche Straße , Nummer 2. Sie erinnern an die Zeit im Sommer 1945, als im nahen Schloss Cecilienhof die Staatsoberhäupter der USA, der Sowjetunion und Großbritanniens mit dem Potsdamer Abkommen über die Grenzen Deutschlands Weltgeschichte schrieben. Während der Tagung wohnten die Delegationen im unzerstörten Villenviertel. „Stalin soll während der zwei Wochen mehrfach in der Villa umgezogen sein“, erzählt Stadtführer Fritz Frost während eines Rundganges. „Er hatte wohl trotz der starken Bewachung Angst vor einem Attentat.“ Eine Führung mit dem ehemaligen Defa-Aufnahmeleiter lebt von Legenden und Gerüchten. Eines besagt, dass der amerikanische Präsident Truman in der „Little White House“ genannten Villa den Befehl für die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki erteilt hat.

Da die Truman-Villa der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung gehört, kann das Ufer des Griebnitzsees dort ungehindert betreten werden. Andere Eigentümer verwehren das schon seit Jahren, weshalb der Mauerradweg oberhalb der Villen verläuft. Die Chefs der britischen Delegation wohnten in der heutigen Virchowstraße 23. Winston Churchill und sein während der Potsdamer Konferenz ins Amt gewählter Nachfolger Clement Attlee nutzten die vom späteren Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe entworfene Villa des einstigen Mitinhabers der deutschen Bank, Franz Urbig.

Manch andere Schauspieler-Namen fallen während der Führung in Verbindung mit den Babelsberger Studio: Heinz Rühmann, Marika Rökk, Richard Tauber, Willy Fritsch, Max Schmeling und Anny Ondra bleiben, genau wir Brigitte Horney, wohl unvergessen.

Das Quartier verlor übrigens auch später nichts von seiner Anziehungskraft auf die Filmszene: Einige Jahre nach dem Krieg zog die Filmhochschule Konrad Wolf in einige der Häuser und mit ihr kamen Regisseur Heiner Carow, Angelica Domröse, Annekatrin Bürger, Eva-Maria Hagen oder auch Götz George an den Griebnitzsee.

Rundgänge und -fahrten buchen unter www.potsdam-tourismus-service.de

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