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Berlin: Setzen, beruhigen, drucken

Ulrich Hesse verabschiedet sich heute vom Tagesspiegel

„Hesse geht? Der Ulli? Kann ich mir nicht vorstellen. Der gehört doch zu diesem Laden wie die Weltkugel im Zeitungskopf.“ Trotzdem, mein Lieber: Mal ist Schluss. 47 Jahre in ein und demselben Tagesspiegel-Haus reichen Ulrich Hesse , der heute mit einem Hoffest in den Ruhestand verabschiedet wird – direkt neben unseren ratternden Druckmaschinen.

Solche Geräusche waren immer Musik in den Ohren des ewig jugendlichen, stets sonnengebräunten und gut gelaunten Mannes mit dem Igelschnitt, der am 1.April 1956 als Lehrling im grafischen Gewerbe bei der damaligen Mercator-Druckerei begann. Als Schriftsetzer hatte er nicht nur mit Satz und Umbruch unserer Zeitung zu tun, sondern auch mit dem „Abend“, der „Star-Revue“, der „Illustrierten Berliner Zeitung“ (IBZ) und der „Berliner Stimme“ – alles Druckwerke, die nur noch im Gedächtnis ihrer Macher oder in der Erinnerung der Leser geblieben sind. Ulrich Hesse, bis 1963 Hand-, dann auch Maschinensetzer, hat die Revolution in der Schwarzen Kunst, den Umbruch beim Umbruch, mit erlitten und gleichzeitig vorangetrieben: Anzeigenfotosatz Anfang der achtziger Jahre. Zehn Jahre später ein neues Atex-Redaktionssystem, das die gute alte Schreibmaschine ins Museum beförderte, schließlich noch etwas Neues mit dem computergesteuerten Zauberkasten – „bevor ich den begriffen habe, ist die Rente ’ran. Früher war alles überschaubarer für alle Beteiligten“, sagt der langjährige Layout-Abteilungsleiter, der sich nun mit bald 63 Jahren als Produktionsassistent im Chef-vom-Dienst-Büro von uns verabschiedet.

Da wird etwas fehlen. Hesses Gelassenheit, seine Hilfsbereitschaft und die Gummibärchen, die Ulli wie ein Medizinmann freizügig als Antistressmittel und Nervennahrung verteilt. Zwei Episoden lässt sich Ulrich Hesse entlocken: Einst korrigierte ein Redakteur die Seite mit den Kirchennachrichten und schrieb am Ende „Halleluja heiliger Bimbam, es ist vollbracht“ – was leider hinzugefügt und mit gedruckt wurde. Oder: Wie sich bei einer Traueranzeige für eine Erna Endlich hinter das „Erna“ ein Komma eingeschlichen hatte…

Jetzt werden Radfahren und Briefmarkensortieren wichtig, von Lankwitz aus wird die Welt erkundet: „Meine Frau hat mir ein halbes Jahr Schonfrist gegeben – wenn’s nicht klappt, zieht sie aus.“

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