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Sex-Unfall: Den Partner erstickt: Über drei Jahre Haft für 44-Jährigen

Täter und Opfer hatten sich zum Sex verabredet, die hochgefährlichen Praktiken endeten tödlich. Die Richter sahen am Ende keine Tötungsvorsätze - obwohl der Angeklagte die Leiche zerlegte und den Kopf kochte.

Für die Staatsanwältin war es Mord, die Richter aber sahen den Fall wie die Verteidigung: Nach dem Tod eines Bankmitarbeiters bei sadomasochistischen Sexpraktiken wurde Michael S. der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen. Drei Jahre und drei Monate Gefängnis verhängte das Landgericht am Freitag. Als sich der Angeklagte und der Banker Anfang Januar 2012 wieder einmal in der Mariendorfer Wohnung von S. trafen, „wurde etwas gemacht, was vorher schon gut gegangen war“, hieß es. In trautem Einverständnis habe S. dem Bankmitarbeiter Mund und Nase verklebt. Einen Tötungsvorsatz sahen die Richter am Ende des Gerichtsprozesses nicht.

Der 44-jährige Handelsvertreter S. und das spätere 37-jährige Opfer hatten sich über ein Online-Datingportal für Homosexuelle kennengelernt. Der jüngere der beiden Männer hatte zwar einen Lebenspartner, es war auch von Hochzeit die Rede, aber einen Teil seiner Neigungen hatte er seinem Freund verschwiegen. Er traf sich mit Michael S., um sie auszuleben. Es kam auch zu hochgefährlichen Praktiken wie „Verlegung der Atemwege“. Das ergab sich aus dem Internetchat. Sie wiederholten es am Abend des 5. Januar. Das Opfer sei mit der Behandlung einverstanden gewesen.

Doch diese Einwilligung schütze S. nicht vor Strafe, befand das Gericht. Die Zustimmung sei nicht gültig, zudem „sittenwidrig“ wegen der objektiven Lebensgefahr gewesen. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass es schiefgehen könnte. Bei einem früheren Treffen war es bis zur Bewusstlosigkeit des Opfers. gegangen. Ein Zeitfenster von nur 20 Sekunden bleibe bei einer solchen Praxis, um Schlimmstes zu verhindern, hieß es im Urteil. Der Angeklagte habe am Tattag möglicherweise die Situation falsch eingeschätzt – womöglich, weil sie Drogen und Schmerzmittel konsumiert hatten. Als S. das Paketband löste, war sein Sexualpartner bereits erstickt.

Was danach geschah, verschlug später Ermittlern zunächst die Sprache. S. wollte die Leiche loswerden. Er schleppte sie zur Badewanne, zerlegte sie in sechs Teile. Er wollte Gerüche verhindern und kochte den Kopf. Etwa drei Wochen nach dem Verschwinden des Bankmitarbeiters brachte er dessen Tasche zur Polizei. Locker wirkte er und sagte, er habe den Vermissten wohl als Letzter gesehen. Er hielt es offenbar nicht mehr aus, wollte irgendwie reden. Noch war er Zeuge. Doch als die Polizei vor der Tür stand, um aufgrund einer Vermisstenanzeige des Lebensgefährten des Opfers weiter zu forschen, lag er mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Wanne.

Spontan sagte der arbeitslose Handelsvertreter damals aus. Er gab zu Protokoll, was sich abgespielt hatte. Im Prozess schwieg er zwar zunächst, aber die Juristen stritten nicht über das äußere Geschehen. Bei der rechtlichen Würdigung aber gingen sie weit auseinander. „Er wusste um das Risiko des Todes“, sagte die Staatsanwältin. S. habe in Kauf genommen, dass sein Sexualpartner erstickt. Auch sein Verhalten nach der Tat spreche nicht für einen Unfall. Sie forderte lebenslange Haft.

Die Verteidiger hatten vor dem Prozess angekündigt, dass es um die Frage der „eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Opfers“ gehen werde. Bei der Polizei hatte Michael S. von einem Unfall gesprochen. Vor den Richtern saß er gefasst und verlor erst die Fassung, als ein Mediziner beschrieb, was passiert, wenn einem die Luft genommen wird. Für den Laien sei nicht zu erkennen, wo die Lust zu Ende sei und der Todeskampf beginne. Michael S. konnte es nicht ertragen. Er weinte damals. Als er das Urteil hörte, lächelte er befreit. Ob die Staatsanwaltschaft in Revision geht, blieb zunächst offen.

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