zum Hauptinhalt
Auch in Berlin werden Homosexuelle Opfer von Zwangsehe. Für Betroffene richtet der Senat nun eine Krisenwohnung ein.

© picture alliance / dpa

Sexuelle Selbstbestimmung: Awo richtet Krisenwohnung für Opfer von Zwangsehe ein

Das Projekt stand schon vor dem Aus, nun hat der Senat das Tauziehen beendet und den Zuschlag vergeben. In die Wohnung sollen queere Schutzsuchende ziehen.

Nachdem das im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün festgehaltene Projekt einer Krisenwohnung für Opfer von Zwangsehe bereits vor dem Aus stand, scheint eine Lösung gefunden. Ein am 16. Januar gestartetes Interessenbekundungsverfahren für den Betrieb der Wohnung wurde jüngst abgeschlossen, wie Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) mitteilte.

Insgesamt hätten sich drei Träger daran beteiligt, der Zuschlag ging an den Kreisverband Spree-Wuhle der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Dieser wird die Wohnung in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg betreiben. Sollte keiner der beiden unterlegenen Träger Widerspruch anmelden, kann das Projekt laut Behrendt "nach Möglichkeit zum 1. April die Arbeit aufnehmen".

Wohnung steht sei Mai 2018 bereit

Unklar ist, wann genau die Krisen- und Zufluchtswohnung belegt werden kann. "Ziel ist es, dies selbstverständlich so schnell wie möglich zu realisieren", erklärte Behrendt. Die AWO verfügt bereits seit dem 1. Mai des vergangenen Jahres über eine geeignete Wohnung. Weil sich zunächst keine Gelder für den Betrieb der Wohnung gefunden hatten, steht diese seitdem leer. Die angefallenen Mietkosten dürften die Summe von 20.000 Euro mittlerweile deutlich überschritten haben.

Behrendt zufolge stehen für Aufbau und Inbetriebnahme der Krisenwohnung im laufenden Jahr 100.000 Euro zur Verfügung, die aus dem laufenden Haushalt der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) bereitgestellt werden. Für den Doppelhaushalt 2020/2021 hat die LADS für die Umsetzung der Maßnahme 160.000 Euro jährlich angemeldet. 

Erleichterung in der Grünen-Fraktion

Die Grünen-Abgeordneten Anja Kofbringer und Sebastian Walter zeigten sich angesichts dieser Entscheidung erleichtert. "Wir sind sehr froh, dass das Verfahren zur Einrichtung eine Krisenwohnung für von Zwangsverheiratung oder familiärer Gewalt betroffenen LSBTI - besonders jungen Männern - zu einem glücklichen Abschluss kommt", hieß es in einer Erklärung der beiden. Mit Verweis auf die Verzögerungen bei der Finanzierung des Projekts erklärten sie: "Wir freuen uns, dass nun die Kuh vom Eis ist und mit der Umsetzung des für Berlin so wichtigen und im Koalitionsvertrag verankerten Projekt begonnen werden kann."

Die Krisenwohnung richtet sich an volljährige Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von Zwangsverheiratung bedroht sind. In der Regel müssen die Betroffenen ihr familiäres und soziales Umfeld komplett verlassen, um der Bedrohung zu entkommen.

Hohe Dunkelziffer

Statistiken dazu, wie viele Menschen davon betroffen sind, gibt es kaum. Während eine offizielle Datensammlung aus dem Jahr 2017 570 Fälle angedrohter und vollzogener Zwangsehen registriert hat, schätzt eine Expertin die tatsächliche Zahl der Fälle auf 6000 im Jahr. Laut Senatsverwaltung für Justiz wenden sich jährlich bis zu zehn Hilfesuchende an die Fachberatungsstellen in Berlin.

+++ Der Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.+ + +

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false