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Berlin: Shopping-Center trotzen der Konsumflaute

Der Bau neuer Einkaufszentren in Berlin geht weiter – mit negativen Folgen für kleine Geschäfte und das Umland

Keine andere deutsche Stadt hat so viele Einkaufszentren wie Berlin: 50 Shopping- Center mit insgesamt 915 000 Quadratmetern Verkaufsfläche gibt es bereits. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin hat die Hauptstadt auch die größte Einzelhandelsfläche in den Centern im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Das größte Einkaufszentrum Berlins sind die Neuköllner Gropius-Passagen, die jetzt sogar eine Erweiterung über die bisher 85 000 Quadratmeter hinaus planen.

Die Gropius-Passagen stehen damit nicht allein. Vier weitere Projekte sind in Planung, weil die Zentren bei den Kunden immer beliebter werden. Während der Umsatz im Einzelhandel schrumpft, legte der größte deutsche Shopping-Center-Betreiber ECE im ersten Quartal um 2,5 Prozent zu. Nils Busch-Petersen vom Berliner Einzelhandelsverband bringt es auf den Punkt: „Hell, sicher, sauber und trocken“ seien die Center. Hinzu kommen Parkmöglichkeiten und einheitliche Öffnungszeiten. Die Center dürften jedoch „keine Zwingburg“ sein, sondern müssten sich der Umgebung öffnen. Dann könnten Einkaufsstraßen sogar von den großen Nachbarn profitieren.

Zu den geplanten Zentren gehört das Sonae-Projekt zwischen Alexanderplatz und Jannowitzbrücke in Mitte. Auf dem wegen seiner Form „Banane“ genannten Areal will der portugiesische Investor mindestens 35 000 Quadratmeter für den Verkauf schaffen. In der Nachbarschaft eröffneten vor kurzem die modernisierten Rathauspassagen. Inzwischen sind dort 25 der 28 Läden vermietet, ein Hauptmieter für die erste Etage wurde nach dem überraschenden Absprung von Wal-Mart allerdings noch nicht gefunden.

In Marzahn baut die ECE-Gruppe ihr achtes Berliner Center namens „Eastgate“. Die Firma HFS, der schon die Gropius-Passagen gehören, errichtet an der Steglitzer Schloßstraße die „Schlossgalerie“. In Charlottenburg bekam der Investor mfi gerade grünes Licht vom Bezirksamt für den Bau der „Wilmersdorf Arcaden“ in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße. Der Trend geht weg von der „grünen Wiese“ im Umland: Projektentwickler „setzen immer mehr auf Innenstadt- und Stadtteillagen“, sagt der IHK-Stadtentwicklungsexperte Jochen Brückmann. Seit drei Jahren kaufen Brandenburger viel mehr in Berlin ein als umgekehrt. Der Kaufkraft-Überschuss betrage jährlich eine halbe Milliarde Euro zugunsten Berlins, schätzt der Einzelhandelsverband. Doch der Mittelstand profitiert davon wenig, wie das Beispiel der Spandau-Arcaden zeigt.

Das im November 2001 neben dem Fernbahnhof Spandau eröffnete Center mit 125 Geschäften lockt durchschnittlich 25 000 Besucher am Tag an, ein Drittel kommt aus dem Umland. Doch in der wenige hundert Meter entfernten Altstadt Spandau seien die Umsätze seit Mitte der 90er Jahre um die Hälfte gesunken, sagt die Vorsitzende der dortigen Händlerarbeitsgemeinschaft, Ingrid Jahn. Die Probleme hätten 1995 begonnen, als der Havelpark in Dallgow eröffnete. Zum selben Zeitpunkt seien Parkgebühren in der Altstadt eingeführt worden. „Wir wissen nicht, was die größeren Folgen hatte“, so Ingrid Jahn. Durch die Spandau-Arcaden sei der Negativtrend nicht beschleunigt, aber auch nicht gebremst worden. Das Center liege „nicht nahe genug“ an der Altstadt, um diese an den Kundenströmen teilhaben zu lassen. Die Hoffnungen richten sich auf ein neues, mittelgroßes Geschäftshaus: Auf dem Bahnhofsvorplatz entsteht derzeit die „Spandauer Ellipse“, die nach dem Willen des Bezirks zum „Bindeglied“ zwischen Arcaden und Altstadt werden soll.

Ingrid Jahns Bastelgeschäft besteht seit 20 Jahren und kann sich noch behaupten. Andere Händler in der Fußgängerzone haben mehr Probleme. Viele inhabergeführte Läden gaben im vorigen Jahrzehnt auf, die Räume wurden meist von Filialisten übernommen. Auch 13 „Schnäppchenmärkte“ siedelten sich an. Mehr als zwei Dutzend Läden stehen leer. Als „zunehmend asozial“ empfindet der Tee- und Kerzenhändler Alexander Kube die Situation. Doch Bezirksbürgermeister Konrad Birkholz (CDU) bleibt gelassen. Die Leerstandsquote von 8,8 Prozent liege „unterhalb des Berliner Durchschnitts“. Die Spandau-Arcaden hätten durchaus dazu beigetragen, dass mehr Laufkundschaft in die Fußgängerzone komme.

Die AG Altstadt Spandau organisiert Konzerte und Feste und hat einen „Altstadtführer“ veröffentlicht, um mehr Besucher anzulocken. Aber die Ausbreitung der Filialbetriebe hat Folgen für Gemeinschaftsaktionen: „Es ist schwer, solche Läden mit ins Boot zu holen.“ Von einheitlichen Verkaufszeiten kann in der Altstadt nicht die Rede sein. „Eine Hand voll Läden macht bis 20 Uhr auf, die meisten bis 18 oder 18.30 Uhr und manche bis 19 Uhr“, so Ingrid Jahn. Dagegen machen es Center wie die Spandau-Arcaden ihrer Kundschaft leicht – alle Läden öffnen dort bis 20 Uhr.

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