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Berlin: Sicherer wohnen

Anrainer der Israelischen Botschaft schätzen die Polizeidichte. In Mitte, wo der BND hinziehen will, überwiegt noch Skepsis

Hanneliese Kräutlein wirkt jetzt fast ein wenig beunruhigt. Den schwarzen Mercedes kennt sie gar nicht. Steht schon ein paar Tage da. Mit platten Reifen, und keiner hat was gesehen? Was da wohl hintersteckt? „Das ist hier noch nie passiert“, sagt Frau Kräutlein, Grundschullehrerin. Und eigentlich kann so was hier in der Schmargendorfer Auguste- Viktoria-Straße auch gar nicht passieren. Genauso wenig wie Einbrüche oder Diebstähle. Weil mindestens zwei Polizisten ständig in der Nähe sind. Und viele junge Sicherheitsleute aus Israel. Alles freundliche Menschen. Frau Kräutlein vis-à-vis der Israelischen Botschaft – und damit mitten in einer Hochsicherheitszone. Und das gefällt ihr.

In einen ähnlichen Genuss kommen bald auch viele Menschen in Mitte. Der Bundesnachrichtendienst (BND) will an der Chausseestraße einen Behördenkomplex für 4000 Mitarbeiter errichten. Doch den Nachbarn der großen Grünfläche, die mal Stadion der Weltjugend war, wird angesichts dieser Perspektive eher mulmig zumute. Wird man künftig auf offener Straße kontrolliert? Womöglich ausspioniert? Trifft man demnächst auf Menschen ohne Namen, mit falschem Pass und Mini-Revolver?

Die Nachbarn der Israelischen Botschaft haben sich nach zwei Jahren an die Besonderheiten ihrer Situation gewöhnt. Viele genießen sogar das kostenlose Sicherheitsgefühl, das von den Mauern der Botschaft abstrahlt. Hanneliese Kräutlein plaudert gerne mit den Beamten vom Objektschutz – die revanchieren sich mit kleinen Gefälligkeiten, haben ein Auge auf die Wohnung, wenn man mal verreist, oder helfen beim Ausparken. Von der Botschaft gebe es Einladungen für die Nachbarn – zu Besichtigungen oder Kulturveranstaltungen. Und Absperrungen der Straßen würden immer rechtzeitig angekündigt. Frau Kräutlein kennt da schon die Fachtermini. „Das kommt auf die Gefahrenlage an.“ Angst habe sie nicht, „komischerweise“, obwohl sie um die latente Gefahr weiß. Aber es ist eben auch nichts passiert. Anders als im ehemaligen Israelischen Generalkonsulat in der Schinkelstraße, das 1999 von kurdischen Extremisten gestürmt worden war. Israelische Sicherheitsleute erschossen damals vier Kurden. Die Straße wurde über Nacht zum Krisengebiet.

Als die Botschaft vor zwei Jahren umzog, gab es anfangs Kritik. Anwohner wehrten sich mit einer Klage, allerdings vergeblich. Viele Mieter zogen weg, ein angrenzendes Haus wurde verkauft. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York wuchs die Angst noch. Inzwischen ist sie fast wieder am Nullpunkt angekommen. Ohne Nahrung stirbt der alte Affe Angst einfach.

Völlig sicher fühlen sich auch Birgit Paul und ihre 40 Kinder von der Kita der Evangelischen Kreuzgemeinde, deren Grundstück an die Botschaft grenzt. Manchmal patrouillierten Beamte mit Hunden durch ihren Garten, aber eigentlich nehme sie die Botschaft nicht mehr als etwas Besonders wahr. Dabei hatten viele Eltern protestiert, als die Pläne für den Botschaftsstandort bekannt wurden. Die Kita sollte umziehen, aber mangels Geld und Grundstücken blieb man doch im alten Haus. Abmeldungen gab es nur vereinzelt. Inzwischen ist die Warteschlange fast schon wieder so lang wie vor dem Botschaftsbau.

Doch ein gewisses Unbehagen hat überlebt. Jedenfalls in Daniela Andresen, Deutsch-Amerikanerin und Mutter von zwei Kindern. Sie sagt, dass ihr die Israelische Botschaft nicht passt. „Sowas gehört nicht in ein Wohngebiet." Die Deutschen hätten nicht den Mumm, den Israelis oder Amerikanern etwas zu verbieten. Von Absperr-Ankündigungen weiß sie nichts. Eine Freundin ihrer Tochter musste Umwege nach Hause laufen, weil Polizisten sie nicht durchlassen wollten. Die Grundstückspreise seien gesunken, sonst hätte sie ihr Haus längst verkauft. Die Israelis zeigten kein Interesse an guter Nachbarschaft, sagt Frau Andresen. „Ein persönlicher Empfang beim Botschafter. Das wäre doch mal was.“ Man solle auch nicht glauben, die Polizisten würden Anwohnern bei Überfällen zu Hilfe kommen. „Das dürfen die gar nicht.“ Und der Ruhe im Viertel traut sie auch nicht. „Man lebt in einer Gefahrenzone. Unterschwellig ist das immer da.“

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