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Das Berliner Abgeordnetenhaus soll Schutzsperren erhalten.

© Imago

Sicherheit von Politikern: Berliner Abgeordnetenhaus bekommt Poller gegen Anschläge

Auch Zugangskontrollen für Parlamentarier sind im Gespräch. Politiker erhalten auch in Berlin immer wieder Morddrohungen.

Die Maßnahme passt in die Zeit: Wer sich künftig einen Eindruck vom parlamentarischen Geschehen innerhalb des Abgeordnetenhauses verschaffen will, muss dabei einen Kordon aus Schutzsperren gegen Anschläge mit Autos oder Lkw passieren. Tagesspiegel-Informationen zufolge hat Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) die Mitglieder des Abgeordnetenhaus-Präsidiums darüber bereits Ende Februar informiert.

Mit Ausnahme der Zu- und Abfahrt vor dem Haupteingang sollen die Poller unbeweglich sein. Kritiker sehen darin eine Abkehr von der „Politik des offenen Hauses“ um das Hauptstadt-Parlament. Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster twitterte am Mittwoch: „Wir können unsere Freiheit nicht aufgeben!“

Unklar ist derzeit, ob die dem Vernehmen nach mit Kosten in Höhe von rund einer Million Euro veranschlagten Maßnahmen das Ergebnis eigener Sicherheitserwägungen sind oder durch die Innenverwaltung vorgegeben wurden. Klar ist aber: Der Posten wird sich im Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2020/2021 wiederfinden, ein entsprechender Entwurf wurde im Präsidium beschlossen. Im Hauptausschuss wird es zwar Kritik geben, am Ende dürften die Poller aber kommen, so einzelne Mitglieder des Präsidiums.

Und auch wenn ein direkter Zusammenhang der Pläne zu dem mutmaßlich durch einen Rechtsextremisten ermordeten hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke ausgeschlossen werden kann, ist klar: Die Demokratie und ihre Vertreter sind in Gefahr, auch in Berlin.

Den jüngsten Fall einer Morddrohung gegen Parlamentarier machte Anne Helm, Sprecherin für Medien und Strategien gegen Rechts der Linksfraktion, just an jenem Tag öffentlich, an dem die Hintergründe der Ermordung Lübckes bekannt wurden. „Das Erste, was ich heute Morgen gelesen habe, war wieder eine Morddrohung in meinem Posteingang. Auf den Hetzmob folgt die Tat. Das ist wirklich beängstigend“, schrieb die Linken-Politikerin Anne Helm am Montagabend via Twitter.

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Es war längst nicht die erste Morddrohung, mit der sich die ehemals bei den Piraten engagierte Politikerin konfrontiert sah, schließlich gilt sie durch ihr klares Bekenntnis zum Antifaschismus als Hassfigur der rechten Szene. Bislang blieben die Anfeindungen gegen ihre Person abstrakt und wurden in großer Mehrheit in den sozialen Netzwerken geäußert – genau wie im Fall Lübcke.

SS-Runen an der Wohnungstür, Reifen zerstochen

Helm ist längst nicht die einzige in Berlin aktive Politikerin, die das unheilvolle Zusammenspiel politischer Auseinandersetzung und digitaler Radikalisierung zu spüren bekommen hat. Hakan Tas, Fraktionskollege Helms, blickt auf eine lange Liste von Attacken und Angriffen zurück, einige davon auch körperlich. Der jüngste ereignete sich mitten in Kreuzberg. Laut Tas hatte ihn ein türkischer Rechtsextremist mit einem harten Gegenstand attackiert, der Linken-Politiker mit kurdisch-alevitischer Abstammung trug eine blutende Wunde davon.

Linken-Politiker Hakan Tas erhielt zeitweise Polizeischutz.
Linken-Politiker Hakan Tas erhielt zeitweise Polizeischutz.

© imago/Olaf Selchow

In den Jahren zuvor hatte er bereits SS-Runen an seiner Wohnungstür entdecken müssen, die Autoreifen seien ihm zerstochen worden, Neonazis hätten demonstrativ Präsenz im Umfeld seiner Wohnung gezeigt. Sie wird deshalb regelmäßig von der Polizei beobachtet. Tas gilt als gefährdete Person und musste genau wie Helm in der Vergangenheit bereits mehrere Sicherheitsgespräche mit Beamten des Landeskriminalamtes führen.

Zum Fall Lübcke erklärt er: „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, sondern müssen uns erst recht entschieden und geschlossen gegen rechte Hetze und Gewalt stellen.“ Mit Blick auf das Abgeordnetenhaus erwartet Tas einen „gemeinsamen Appell aller demokratischen Parteien“, sich ihrer Verantwortung für von Attacken betroffene Menschen zu stellen. Gemeinsam müsse geprüft werden, welche gesetzlichen Maßnahmen getroffen werden könnten, um die Situation der Betroffenen zu verbessern.

Künast: „Ich ärgere mich, wenn dieses Land nicht verteidigt wird“

Wie zuvor schon Helm und Tas zeigte sich auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast nur wenig überrascht darüber, dass es im Fall Lübcke nun den ersten rechtsextremistisch motivierten Mord an einem deutschen Politiker gegeben haben dürfte. „Die Frage war nicht, ob, sondern wann“, erklärte die Politikerin im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Künast, die ebenfalls regelmäßig bedroht wird, kritisierte, dass die Sicherheitsbehörden im Bereich des Rechtsextremismus trotz der teilweise bekannten Netzwerkstrukturen immer wieder auf die Einzeltäter-These abzielen würden. Sie erklärte: „Ich ärgere mich, wenn dieses Land nicht verteidigt wird.“

Aus Sicherheitskreisen war zu hören, dass Attacken gegen Politiker – unabhängig vom Fall Lübcke – grundsätzlich sehr ernst genommen werden. Betroffene würden zu Sicherheitsgesprächen eingeladen und dort über Gefährdungslagen informiert. Dabei sollen auch Erkenntnisse des Verfassungsschutzes einfließen.

Grüne fordern Kontrollen für AfD-Sprecher

Eine weitere Frage, die derzeit von Berliner Abgeordneten diskutiert wird: Müssen sich Mitglieder des Abgeordnetenhauses künftig kontrollieren lassen? Diese Frage diskutierte am Mittwoch der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux mit Mitarbeitern der Verwaltung des Abgeordnetenhauses via Twitter. Anlass war die Berichterstattung des Tagesspiegels über den AfD-Sprecher Ronald Gläser.

Dieser hatte in einer AfD-internen Chatgruppe ein mit dem Zusatz „Antifaneutralisator“ versehenes Foto von einem Maschinengewehr mit den Worten „Haben will. Toll.“ kommentiert. Daraufhin hatte Lux den Parteiausschluss Gläsers gefordert und angeregt, diesen künftig beim Betreten des Parlaments zu kontrollieren.

Am Mittwoch erklärte dazu ein Sprecher des Abgeordnetenhaus-Präsidenten Ralf Wieland, ein entsprechender Vorschlag hätte im Präsidium des Abgeordnetenhauses eingebracht werden müssen. Das sei bislang nicht geschehen. Wieland habe bisher keinen Anlass gesehen, aus eigener Initiative in der Sache tätig zu werden.

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