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Berlin: Sie hat jetzt den Hut auf

Fiona Bennett fertigt speziellen Kopfschmuck an einem speziellen Ort – im alten Tagesspiegel-Haus.

Immer wieder bleiben Leute vorm Fenster stehen. Manche staunen nur kurz, andere schauen minutenlang hinein. Und dann gibt es die, die reinkommen und wollen, dass Fiona Bennett ihnen den Vogel zeigt.

Bennett tippt dann nicht etwa mit ihrem Zeigefinger gegen ihre Stirn. Sie geht zum weißen Regal und holt den roten Hut mit den zwei riesigen abstehenden Federn raus – ihn nennt sie liebevoll „Vogel“. Der Hut gehört zur Couture-Kollektion der Modistin und hat seit wenigen Wochen einen repräsentativen Platz: In der Mitte des Schaufensters von Bennetts neuem Laden an der Potsdamer Straße 81.

Wer vorher zu Bennett wollte, musste klingeln. In einer Altbauwohnung in der Alten Schönhauser Straße hat sie ihren Laden gehabt, in der dritten Etage. „Da war die Hemmschwelle größer, einfach nur mal zum Gucken vorbeizukommen“, sagt Bennett, die in England geboren wurde und seit 1972 in Berlin lebt.

Aber nicht nur der Wunsch nach mehr Offenheit trieb sie zum Umzug an. Sie wollte weg aus Mitte. Schon 2009 hatte sie ihren Laden am Hackeschen Markt geschlossen und war in die Alte Schönhauser umgezogen. Aber auch hier gefiel ihr die Atmosphäre nicht mehr. „Da bin ich ja nur noch von Jeans-, Turnschuh- und Kaffeeläden umgeben gewesen“, sagt sie.

Aber wohin? Prenzlauer Berg? Zu dörflich, befand Bennett. Friedrichshain und Neukölln? Zu jung. Charlottenburg oder Kudamm? Fühlte sich nicht richtig an. Und dann gab ihr eine Bekannte den Tipp, sich an der Potsdamer Straße umzuschauen. Hier, wo bis Oktober 2009 der Tagesspiegel seinen Sitz hatte, in der Nachbarschaft vom Wintergarten-Varieté, von Spielhallen und dem Strich an der Kurfürstenstraße, entsteht im Modeniemandsland plötzlich eine Oase für Design-Kenner.

Andreas Murkudis hat im Hinterhof der ehemaligen Tagesspiegel-Druckerei vor einem Jahr seinen 1000 Quadratmeter großen Concept-Store bezogen, daneben finden sich Galerien wie Blain Southern und Nolan Judin, die Agentur Edenspiekermann ist auch schon da. Als Bennett mit ihrem Partner Hans-Joachim Böhme Anfang des Jahres die Räume besichtigte, in denen früher die Kleinanzeigen für den Tagesspiegel angenommen wurden, war sie sofort begeistert: „Peng. Das war Liebe auf den ersten Blick.“ Nicht nur, weil ihr der schlauchartige Raum mit seinen arkadenartigen Säulen gefiel. Auch die Gegend. Sie kennt sie noch aus ihrer Teenagerzeit, als sie die Nächte im Club 90 Grad und der Bar Kumpelnest durchfeierte, „Die Straße hat eine Seele“, sagt Bennett und schwärmt davon, wie sich abends die vielen Glühbirnen des Wintergartens in den Scheiben spiegeln, wie interessant es ist, von Inhabergeführten Läden und nicht von Ketten umgeben zu sein. „Hier habe ich wirklich das Gefühl, dass ich in einer Großstadt bin“, sagt sie.

Über einen roten Teppich, kaum größer als eine Fußmatte, geht es hinein in den Verkaufsraum. Alles ist in Weiß gehalten, wie Farbtupfer leuchten die Hüte in Violett, Grün, Rot und Blau, aber erst mal geht der Blick zu Boden. Der ist ebenfalls weiß, doch als hätte jemand einen Stapel umgeworfen, sind mosaikmäßig Hölzer eingelassen: Ein Stück von Fiona Bennetts Arbeitstisch, zersägte Holzköpfe, die Bennett normalerweise zum Anpassen der Hutgröße nutzt, ein Bügeleisen- und ein Spätzlebrett als Hommage an die weibliche Handwerkskunst. Ein Kunstwerk zum Drauflaufen, geschaffen von Barbara Caveng. Neben dem Tresen lehnen zwei große Frauenbüsten mit Kronleuchtern auf dem Kopf, sie tragen Augenbinden und sehen aus, als würden sie die fünf mit unterschiedlichen Mützen behüteten Männerköpfe zwischen ihnen bewachen. „Ich wollte einen Abenteuerspielplatz für Erwachsene schaffen, einen Ort, der zum Träumen anregt“, sagt Bennett. Und natürlich: Zum Hüte kaufen.

80 Modelle bietet sie derzeit an, Panamahüte und Baskenmützen für Männer, muschel- glocken-, blätterförmige Hüte für Frauen, manche wagenradgroß, andere filigrane Hingucker. Die Baskenmütze gibt’s ab 140 Euro, der teuerste Hut steht noch im Schaufenster, er ist mit weißen Federn besetzt, kostet 1480 Euro und wird bald im australischen Melbourne zum Pferderennen ausgeführt. Die Käuferin hatte sich ihn extra von Bennett anfertigen lassen. Bennett hat schon die Band Rammstein ausgestattet, auch Christina Aguilera trug ihre Kreationen.

Modistin Selina Grädler biegt gerade einen Panamahut zurecht, ihre Kollegin Anna Mohl zieht Fäden an einem Sinamay-Schiffchen zusammen. Mit ihren weißen Kitteln und den schwarzen Schleifen um den Hals sehen sie aus wie aus dem 19. Jahrhundert hineinkatapultiert in die Potsdamer Straße. Jeder Passant kann ihnen durch die Scheibe bei der Arbeit zusehen. Eine Dame mit Kopftuch bleibt stehen und nickt ihnen anerkennend zu, ein Mädchen starrt fasziniert. „Ist doch schön, dass man Menschen mit dem Anblick von Arbeit glücklich machen kann“, sagt Bennett.

Ein ganzer Tag Arbeit steckt in einem handgefertigten Panamahut. Für solche Unikate kommen die Kunden in den Laden, lassen ihre Kopf vermessen, wählen Form und Stoff – und bekommen Tipps, wie der Kopfschmuck am besten zu tragen ist. „Es gibt das Missverständnis, dass man nur einen Hut tragen kann, wenn man perfekt gestylt ist. Das kann aber sowohl den Träger als auch den Hut ältlich aussehen lassen. Es ist viel besser, einen Hut lässig zu kombinieren“, sagt Bennett. Die Engländer seien da Perfektionisten. Hier hat Bennett auch ihre Leidenschaft fürs Hutmachen mitbekommen: „Wenn Lady Di einen neuen Hut hatte, stand das auf Seite eins in der Zeitung“.

Wichtig sei, dass der Träger nicht von seinem Hut erschlagen werde. „Träger und Hut müssen eins werden.“ Einen Anfänger würde sie deshalb auch nicht mit dem „Vogel“ auf die Straße lassen. Denn wer den tragen wolle, brauche Mut.

Potsdamer Str. 81, Mo bis Sa, 10 bis 19 Uhr. www.fionabennett.com

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