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Soll des Deutschen geliebte Pyrotechnik am Silvesterabend verboten werden? In Venedig funktioniert's, mit dem offiziellen Slogan: "Keine Knaller, sondern Küsse."

© DPA

Silvesterböller: Küsse statt Knaller

In Berlin beginnt das Jahr traditionsgemäß mit einer Straßenschlacht. Was in Paris und Venedig funktioniert, ist in Berlin schwer durchsetzbar: Silvesterböller zu untersagen.

Fröhliche Menschen auf der Straße, Tanzmusik, Gläserklirren – aber kaum eine Rakete oder Böllerschläge: Wer zu Silvester begeistert Feuerwerk zündet, sollte das neue Jahr nicht in Paris begrüßen. Es wäre eine Enttäuschung. Allerdings gab es in Paris, wo Kracher und Feuerzauber am Himmel wie in ganz Frankreich eher unüblich sind, auch diesmal weitaus weniger Brände und Verletzungen durch Pyrotechnik als in Berlin. An der Spree hatten die Unfallkliniken dagegen, wie berichtet, wieder jede Menge zu tun. Und die Feuerwehr musste 397 Mal Flammen löschen, verursacht durch Feuerwerkskörper. Deren Hüllen liegen zwar nun ausgebrannt am Boden, aber die Debatte um sie ist neu entbrannt: Sollte der Verkauf von Feuerwerk an Privatleute künftig eingeschränkt oder gar untersagt werden?

Die Leserkommentare auf der Tagesspiegel-Homepage prallen heftig aufeinander. Als „idiotisch, belästigend und gefährlich“ lehnen etliche User vor allem die lauten Kanonenschläge und die neuen großen, als besonders riskant eingestuften Feuerwerksbatterien ab. Andere halten dagegen: „Warum diese Aggression gegenüber Krachern und Raketen?“ Wegen einiger verantwortungsloser Leute, die sich beim Böllern verletzten, sollte man der vernünftigen großen Mehrheit nicht den Spaß verderben. „Wir knallen seit Jahren mit der Familie und haben viel Freude dabei“, schreibt ein Leser.

In Berlin herrschte kurz vor Silvester in den Feuerwerksläden kein Mangel. Viele Regale waren schnell ausverkauft. Nach Auskunft des Bundesverbandes der Pyrotechnikhersteller sind die Umsätze seiner Mitgliedsfirmen seit 2005 kontinuierlich gestiegen. Damals wurden bundesweit Feuerwerkskörper für rund 96 Millionen Euro verkauft, zum Jahreswechsel 2009/10 waren es schon 113 Millionen Euro. Und die wirtschaftlichen Interessen am Verkauf von Feuerwerk sind stark. Das liegt vor allem an den hohen Gewinnmargen von teils über 100 Prozent, wie Insider sagen. In Berlin erzielen manche kleineren Geschäfte damit ein Drittel ihres Jahresumsatzes.

Verkaufseinschränkungen bei Feuerwerk dürften deshalb schwer durchsetzbar sein. In Paris untersagte die Stadtregierung dagegen schon 2007 den Verkauf im Einzelhandel komplett, aber sie hatte keine große Lobby gegen sich, weil in Frankreich kaum privat geböllert wird. Der Anlass waren Ausschreitungen von Jugendlichen in den sozial schwierigen Satellitenstädten, wo Randalierer mit Krachern warfen.

Schaut man sich zu Silvester in Europa um, so ist Feuerwerk ganz unterschiedlich populär. In Dänemark, den Niederlanden, Schweden, Polen oder Russland steigen ebenfalls zahllose Raketen in den Himmel, bedrängen Kinder und Jugendliche schon Tage vorher ihre Eltern, ihnen das Vergnügen zu gönnen. In Italien, wo traditionell zumindest etwas weniger geknallt wird als in der europäischen Feuerwerks-Hochburg Deutschland, haben dagegen Mailand, Siena, Turin und mehrere andere Städte den Silvesterverkauf zum Jahreswechsel 2011/12 erstmals wie Paris verboten. Auch Venedig war dabei – mit dem offiziellen Slogan: „Keine Knaller, sondern Küsse.“

In Großbritannien gab es keinerlei Verbote, aber dennoch kaum flächendeckend Raketen am Himmel. Stattdessen inszenierte London ein spektakuläres Feuerwerk am Themseufer. Privates Silvesterfeuerwerk ist auf der britischen Insel dagegen eher selten – obwohl man den gesamten Zauber der Pyrotechnik dort rund ums Jahr problemlos für Geburtstags- oder Hochzeitsfeten erwerben kann. Während der Verkauf in Deutschland streng beschränkt ist: auf die Tage vor Silvester.

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